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ATP-Weltmeisterschaft„Einfach draufhauen auf das gelbe Ding“

■ Wie erwartet gibt Becker in Frankfurt den erfolgreichen Familienmann

Frankfurt/Main (taz) – Boris Becker hat noch Träume. Doch die will er lieber für sich behalten. Aber daß er sich in seinen Träumen nicht mehr nur mit Tennis beschäftigt, kann und will Becker dann doch nicht leugnen, auch wenn er „ganz tief“ in sich zu spüren glaubt, daß er Tennis liebt. Wer könne schon sein Hobby zum Beruf machen – außer ihm und einer Handvoll anderer guys auf diesem Globus.

Becker ist Familienvater. Und daß Sohn Noah an der Hand von Ehefrau und Mutter Barbara in einem Nobelhotel in Frankfurt seine ersten Schritte über den Perser absolvierte, war ihm am Tag vor seinem ersten Match bei der ATP-Weltmeisterschaft gegen Goran Ivanisevic wichtiger als die Schrittfolge seines Kontrahenten beim Training auf dem „medium-fast-carpet“ in der Festhalle. Becker hat – im Gegensatz zu den anderen Spielern – seine Familie mit nach Frankfurt gebracht. Und falls ihn Noah am Einschlafen hindern sollte, so Becker pragmatisch, sei er in der glücklichen Lage, sich ein zweites Hotelzimmer leisten zu können. Entspannt grinste er bei der Spieler- Vorstellung und strich sich behutsam über den neukreierten Stoppelkopf: „Ich hoffe, mit diesem Haarschnitt noch schneller sein zu können, denn das Gewicht der Haare fällt weg.“

Ob's tatsächlich am Haarschnitt lag, am „wunderbaren, aber sehr lauten Publikum“ (Becker) oder einfach an der Tagesform, daß er sein Match gegen Goran Ivanisevic am Dienstag – wenn auch nur äußerst knapp – im Tie-Break gewann (6:3, 3:6, 7:6), wußte Becker danach selbst nicht so genau. Irgendwie war es ihm gelungen, gegen den knallharten Klopper aus Kroatien den mit rund 200 Stundenkilometer übers Netz kommenden Filzball zu retournieren. Dabei hatte es ausgesehen, als käme auf dem himmelblauen Court überhaupt kein Tennisspiel zustande. Gleich im ersten Spiel haute der Mann aus Split dem staunenden Deutschen vier Asse um die Ohren. Doch Becker kämpfte – und punktete immer, wenn es ihm gelang, den Ball zurück ins Spiel zu bringen. Ivanisevic schleppt nun schon seit Jahren ein „Deutschen-Trauma“ (Ivanisevic) mit sich herum. Seit 1991, so „Go! Go! Goran!“-entnervt, sei er in wichtigen ATP- Spielen stets von Deutschen besiegt worden – entweder von Becker oder von Stich. Und achtmal gingen Becker und Ivanisevic in den letzten Jahren in den Tie-Break: Siebenmal hieß der Gewinner Boris Becker.

Wie Roulettespielen sei's dennoch gewesen, sagte Becker auf seiner Pressekonferenz: „Und ich habe alles auf Rot gesetzt und gewonnen.“ Gedacht habe er nach den 26 Assen, die ihm Ivanisevic in den drei Sätzen servierte, ohnehin nicht mehr viel, außer: „Boris, hau einfach drauf auf das gelbe Ding.“ An den „gelben Dingern“ äußerten übrigens fast alle Spieler harte Kritik. Die Bälle, so auch Becker und Ivanisevic, seien „einfach zu weich für Serve-and-volley-Spieler“. Was in der weißen Gruppe allerdings allen gleiche Chancen läßt: Sollte Becker gestern (nach Redaktionsschluß) auch noch die Nr.1 der Weltrangliste, den zweiten „Big Hitter“, Pete Sampras aus Tampa, Florida, niedergerungen haben, steht er bereits vor dem letzten Spiel gegen Edberg im Halbfinale. Klaus-Peter Klingelschmitt

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