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„Personenbezogene Auskünfte“

■ betr.: „Der erste und der letzte Film“ (Die Stasi, das Kinojubi läum und ein Verein unter Vorsitz von Wim Wenders), taz vom 3. 11. 94

Daß es nach der Stasi ausgerechnet die taz ist, gegen die ich mich zu wehren habe, weil sie mich zum Werkzeug von Verleumdungen machen will, verschlägt mir nun doch fast die Sprache. Der ersteren habe ich geforderte „personenbezogene Auskünfte“ unter Hinweis auf mein journalistisches Berufsethos verweigert. Sie haben es akzeptiert und so auch korrekt in ihren Akten wiedergegeben.

Vor ein paar Tagen ruft mich ein taz-Redakteur an und will etwas über den Verein „100 Jahre Kino e.V.“ wissen, fragt nach „personenbezogenen Auskünften“. Die gebe ich ihm, weil ich mich sicher wähne, damit niemandem zu schaden. Ich erklärte dem Anrufer, daß ich keine Probleme darin sehe, wenn, wie er behauptet, die meisten Mitglieder des Vereins aus der Defa beziehungsweise deren Administration und aus dem ehemaligen Kulturministerium kommen. Nach Rudolf Jürschik befragt, gebe ich die Auskunft, daß er zuletzt Chefdramaturg im Defa- Spielfilmstudio war, und sage meine Meinung, daß er eine zwiespältige Rolle gespielt habe: einige gute Filme gefördert, sicher aber auch andere verhindert. (Ich behaupte mal, daß man das mit einiger Sicherheit über die meisten Chefs von Filmproduktionsfirmen sagen kann.) Ich gab zudem ausdrücklich die Erklärung ab, daß ich Jürschik für einen integren Menschen halte.

Unter anderem habe ich dem Anrufer, der offenbar keine Ahnung von der Defa hat (was natürlich kein Vorwurf ist), lang und breit erklärt, daß Defa-Dokumentarfilmstudio und Defa-Spielfilmstudio zwei verschiedene Firmen waren. Ich war Dramaturg und Autor im Dokumentarfilmstudio. Rudolf Jürschik ist mir keineswegs, wie von Thorsten Schmitz behauptet, aus täglicher gemeinsamer Arbeit bekannt. Erst recht nicht aus einer ominösen „Dramaturgie, (die) als ,Stasi-Abteilung‘ verrufen (war), wie sich ein Regisseur heute erinnert“. Ich habe Herrn Jürschik aus der Distanz kennengelernt, die ich als mehrjähriger Filmkritiker der Nachrichtenagentur ADN zur Defa hatte. Während meiner späteren Tätigkeit als Dokumentarfilm-Dramaturg hatte ich überhaupt nichts mit ihm zu tun und maße mir deshalb auch kein anderes Urteil über Herrn Jürschik an als oben nunmehr korrekt wiedergegeben.

[...] Die Infamie dieses Artikels hat jedoch mit den Verdrehungen meiner Antworten noch kein Ende. Schmitz schreibt sie einem „Peter Kemper*“, „Namen von der Redaktion geändert“, zu. Dieser „arbeitete mehrere Jahre bei der DDR-Nachrichtenagentur ADN, bevor er zur Defa kam. Dort war er als Dramaturg und Autor für Dokumentarfilme im Defa- Studio angestellt.“

Mein Name ist Jochen Wisotzki, und ich darf davon ausgehen, daß ein paar Menschen, die sich für Film und Fernsehen interessieren – zumindest aber die ehemaligen Kollegen aus der ostdeutschen Filmbranche –, der beschriebenen Person den richtigen Namen zuordnen können, da ich unter ihm bei ADN Filmkritiken veröffentlichte.

Wieso also, wenn der sich Äußernde so eindeutig zu identifizieren ist, wird sein Name „von der Redaktion geändert“? Sollen Leser, die diesen umgesattelten Journalisten kennen, annehmen, er habe einen Grund, seinen Namen zu verbergen? Vielleicht könnten mir die im Artikel dann folgenden Verdrehungen und Falschaussagen ja auch egal sein, wenn sie einem Anonymus zugeordnet wären. Aber nicht, Herr Schmitz, wenn Sie diese Halbzitate und Erfindungen so eindeutig meiner Person unterschieben.

Ein Letztes zu Berufsethos, journalistischer Korrektheit und menschlichem Anstand.

Nein, Thorsten Schmitz behauptet nicht direkt, daß Jürschik und „die Defa-Dramaturgen“ Stasi-Spitzel waren. Das heutzutage nach wie vor alle die miesen kleinen Verdächtigungen so wunderbar mobilisierende Wort taucht nur zweimal auf: Im Untertitel natürlich, denn das bannt unsere Aufmerksamkeit. [...] Ja, was haben wir denn da für einen Zusammenhang hingekriegt, wenn wir nur das erste und letzte Wort mal nehmen!?

Und dann heißt es eben einfach mal nur so über die Defa: „Deren Dramaturgie war als ,Stasi-Abteilung‘ verrufen, wie sich ein Regisseur heute erinnert.“

Daß ich dem Anrufer erklärt habe, daß es „die Defa-Dramaturgie“ nicht gab, der Artikel es aber dennoch behauptet, ist bei all der heutigen Ignoranz im Blick auf DDR-Vergangenheit schon fast egal. Was soll denn der taz-Leser nun aber über zwei Leute denken, deren einer der Chef der „Stasi- Abteilung“ war, der dem anderen „aus täglicher gemeinsamer Arbeit bekannt“ ist? [...]

Ich möchte mich hiermit jedenfalls bei Rudolf Jürschik entschuldigen, daß eine „personenbezogene Aussage“, die ich gemacht habe, nun ganz ohne Stasi dazu geführt hat, einem Menschen zu schaden. Ich erwarte das auch von Thorsten Schmitz. [...] Jochen Wisotzki, Berlin

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