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Bonn erhöht Bremens Mülltarif

■ Umweltbehörde: Die geplante und verworfene Altpapier-Verordnung könnte Müllgebühren senken, aber Töpfer hat vor der Papierlobby gekuscht

Ab Januar 1995 wollen die Bremer Entsorgungsbetreibe (BEB) 3,5 Prozent mehr Müllgebühren einnehmen. Das muß so sein, weil das Ortsgesetz eine kostendeckende Müllabfuhr fordert, heißt es von den BEB. Das müßte nicht so sein, wenn der Bundesumweltminister seine Hausaufgaben gemacht hätte, heißt es von der Umweltbehörde. Denn Klaus Töpfer, der gerade das Umweltministerium Richtung Bauverwaltung verläßt, hatte kurz vor der Bundestagswahl seine geplante „Altpapier-Verordnung“ zum alten Eisen geworfen. „Töpfers Politik ist ein Schlag gegen die Kommunen, die gegen ansteigende Kosten der Entsorgung kämpfen“, erklärte Umweltsenator Ralf Fücks gestern. „Wäre die Altpapier-Verordnung gekommen, hätte Bremen die Müllgebühren um ca. 3 Prozent senken können!“ Also: Töpers Rückzieher schlägt in Bremen auf die Müllgebühren.

Der Hintergrund: Für sein „Kreislaufwirtschaftsgesetz“ hatte Klaus Töpfer angestrebt, analog zur Sonderabfuhr für Kunststoffe (DSD) einen eigenen Entsorgungsweg u.a. für Altautos, Computerschrott und eben Altpapier einzurichten. Die Entsorgung dieser Altstoffe sollten nicht mehr die kommunalen Müllwerker, sondern die Hersteller und damit Verursacher des Mülls bezahlen. Doch diesen Plan ließ Papiertiger Töpfer Mitte Oktober wieder fallen: Die in der „Arbeitsgemeinschaft Graphische Papiere (AGRAPA)“ organisierte Lobby von Zeitungsverlagen, Papier- und Buchhandel hatte sich in einer „Selbstverpflichtungserklärung“ bereiterklärt, die Recyclingquote für Papier bis zum Jahr 2000 auf 60 Prozent anzuheben. Die liegt heute bereits bei 53 Prozent, 60 Prozent waren in der geplanten Verordnung aus dem Hause Töpfer bereits für 1997 vorgesehen. Trotzdem erklärte der Minister, er nehme das Angebot der Papierwirtschaft gerne an: „Mit der Selbstverpflichtungserklärung stellt sich die Wirtschaft wichtigen abfallwirtschaftlichen Anforderungen.“ Fücks ist da ganz anderer Meinung: „Wenn heute Minister Töpfer auf dieses alte unbewährte Mittel der Selbstverpflichtung setzt, ist das der Versuch, bestimmten störrischen Branchen Fluchtwege aus dem Kreislaufwirtschaftsgesetz zu öffnen.“

Den Schwarzen Peter haben nach einer Rechnung der Umweltbehörde jetzt die Kommunen, sprich die BEB, am Hals. Denn die Kosten für die Papierabfuhr sind nach diesen Angaben seit Jahren gestiegen: Einerseits verursacht die Sammlung des Papiers Kosten, andererseits müssen die Vermarkter auf dem Papiermarkt noch draufzahlen: Pro Tonne Papier, das zum Recyclen geht, zahlen die BEB kräftig an die Verwerter. 1993 haben die BEB insgesamt 27.500 Tonnen abgefahren und über 4 Mio Mark für die Sammlung und Vermarktung von Papierabfall ausgegeben. Und zwar alles aus Gebühren finanziert. Wenn es also eine parallele Entsorgung gäbe, entfielen diese Kosten für die BEB, die dafür keine Gebührenerhöhungen durchsetzen könnten. Für die VerbraucherInnen von Papierprodukten vom Klopapaier bis zur tageszeitung bleibe allerdings wahrscheinlich alles beim alten: Analog zum Grünen Punkt hätten die Verlegerverbände die Kosten für die Entsorgung wohl auf ihre Produkte umgelegt. bpo

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