: Verregnetes Christfest
■ Das Schmidt feiert eine „Schrille Nacht, heilige Nacht“
„Ein gnadenloses Varieté“ unter dem Motto Schrille Nacht, heilige Nacht war angekündigt. Unter der Moderation von Lilo Wanders treten im Schmidt-Theater laut Programminformation „Weihnachtsperlen der Kleinkunst“ auf. Eine Täuschung. Denn weihnachtliche Leitlinien sucht man bei den acht Künstlern vergebens. Geboten wird ein thematisch unzusammenhängendes Potpourri.
Da ist zum Beispiel Olivia Jones. Ihre Zarah-Leander-Travestienummer tritt über keine Originalitätsschwelle. Die spätere Monroe-Imitation wirkt nur noch abgestanden. Zwei Meter Körpergröße reichen als Showeffekt einfach nicht. Gut, daß die engagierte Lilo Wanders („Trinken, nicht denken heute“) zu Kontrastprogrammen wie Dietmar Burdinski, Sprachkabarettist, überleitet. Eine Wortspielkaskade direkt aus dem Werbefernsehen ergießt sich über die Zuhörer. Jedes Versatzstück ist bekannt, doch ergeben sich durch scheinbar willkürliche Kombinationen vollkommen neue, idiotisch-irrsinnige Zusammenhänge. Sehr gelungen.
Aram ermüdet dann wieder durch einen Bauchtanz, der sich von Bauchtänzen nur dadurch unterscheidet, daß Aram ein Mann ist. Alf Mahlo, Chaos-Clown aus Dresden, gibt überzeugend einen vom Publikum genervten Zauberer. Dingo fasziniert als Gesangsimitator bekannter Popstars, bleibt aber uncharismatisch. Rue Pietonne, ein fußgängerzonenerprobtes Pantomimenduo, zeigten eine sinnige Mensch/Wurm-Performance, und Kitt Baker, ein Schwarzer aus Florida, darf sich zu einem Prince- Song entblättern. Die 24jährige Caroline Schroeck bringt uns dann den Schlußauftritt. Über den Zuschauern zeigt sie eine unspektakuläre, aber frische Trapeznummer, die nichts von dem zirkusüblichen Hygieneduft hat.
So geht es dahin. Bleibt ein gespaltener Eindruck. Ein langes Programm (der Zuschauer wird erst um 23.15 Uhr entlassen) mit einigen Höhepunkten, unterbrochen von den wohl nötigen Standards wie Travestie und Männerstrip. Das weihnachtliche Motto geht im regnerischen November unter.
Stephan Pflug
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
