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Wer darf schnuppern?

■ Bubis will Staatszugehörigkeit für alle hier geborenen Kinder ausländischer Eltern / Süssmuth fordert Einwanderungsgesetz

Bonn/Berlin (AFP/taz) – Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Ignatz Bubis, hat sich dafür ausgesprochen, in Deutschland geborenen Ausländern generell eine vorläufige deutsche Staatsangehörigkeit zu geben. „Damit würde die heutige Regelung entfallen, daß ein Elternteil der ausländischen Kinder hier geboren sein muß“, schrieb Bubis in der Bild am Sonntag. Die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Cornelia Schmalz-Jacobsen (FDP), forderte Nachbesserungen an der geplanten Kinderstaatszugehörigkeit. Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth plädiert, in ihrem heute erscheinenden Buch für ein Einwanderungsgesetz: „Wir brauchen eine geregelte Zuwanderung mit festgelegten Quoten.“ Süssmuth weiter: „Wer hier geboren ist, sollte auch die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten.“ Schmalz-Jacobsen wandte sich insbesondere gegen die Bedingung der geplanten Kinderstaatszugehörigkeit, daß beide Elternteile mindestens zehn Jahre lang in Deutschland gelebt haben müssen. Darüber hinaus nannte sie ihre Vorstellungen für die geplante Novellierung des Ausländerrechts. So sollten Gastarbeiter, die ihre Familien in Deutschland häufiger besuchen wollten, ein Dauervisum erhalten. Ehepartner sollten in der Bundesrepublik ein eigenständiges Aufenthaltsrecht bekommen. Das Ausländergesetz müsse zudem durch eine Verwaltungsvorschrift ergänzt werden, um unterschiedliche Auslegungen vor Gerichten zu vermeiden.

Weiter Kopfschütteln löst das Konstrukt der „Kinderstaatszugehörigkeit“ bei Juristen aus. Rechtsanwalt Hans Heinz Heldmann beispielsweise, Hochschullehrer und Verfasser mehrerer juristischer Kommentare zum Ausländerrecht, lehnte es gegenüber der taz schlichtweg ab, „einen solchen Quatsch auch noch zu kommentieren“. „Schnupper-Staatsangehörigkeit, Staatsbürgerschaft auf Probe oder den Status ,ein bißchen deutsch‘ – so etwas gibt es nach unserer Verfassung gar nicht“, wertet der Ausländerrechtsexperte, Reinhard Marx, den Koalitionseinfall. Hinter dem Begriff Staatszugehörigkeit vermutet er einen Versuch, den Artikel 16 des Grundgesetzes auszuhebeln. Der nämlich legt fest, daß die deutsche Staatsangehörigkeit nicht entzogen werden darf. Die Koalitionsvereinbarung hingegen sieht vor, daß die Einwandererkinder ihre Staatszugehörigkeit mit 18 Jahren loswerden und sich definitiv für die deutsche oder die Staatsbürgerschaft ihrer Eltern entscheiden müssen. Nach dem Willen der Bonner Tüftler sollen die kleinen Staatszugehörigen zwar einen deutschen Paß bekommen, aber sie sollen auch abgeschoben werden können, wenn ihre Eltern straffällig geworden sind. Eine solche Abschiebemöglichkeit sieht die Verfassung für Inhaber eines deutschen Passes nicht vor. Die neue Regelung wird so mit einiger Sicherheit zu einem Fall für Karlsruhe werden. Ve.

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