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Die Guerillaromantik in Mexiko ist vorbei

■ Demonstrationen und Verletzte in Chiapas / Der Friedensprozeß stagniert

Mexiko-Stadt (taz) – Des 84. Jahrestages des Beginns der mexikanischen Revolution wollten sie gedenken, die indianischen Bauernorganisationen, die am Sonntag in mehreren Städten im Bundesstaat Chiapas demonstrierten. Der Grund jedoch war ein anderer: Noch gut zwei Wochen ist Zeit, bis am 8. Dezember der neue Gouverneur von Chiapas sein Amt antreten soll. Offiziell gilt Eduardo Robledo, Kandidat der Regierungspartei PRI als gewählt, doch Bauernorganisationen und die Zapatistenguerilla EZLN sehen das anders: Nur ein massiver Wahlbetrug, so meinen sie, habe den Sieg Amado Avendaños von der linken PRD verhindert. Für den 8. Dezember haben zahlreiche oppositionelle Organisationen Widerstand angekündigt – und da könnten die etwa 20 Verletzten vom Sonntag, als die Polizei die Demonstrationen mit Tränengas auflöste, nur ein Vorgeschmack gewesen sein.

Denn die Guerillaromantik der letzten zehn Monate ist vorbei. „Die Zapatisten müssen ihre Freunde, Feinde und Zuschauer immer wieder daran erinnern, daß sie eine bewaffnete Gruppe sind“, erklärte ihr Subcomandante Marcos kürzlich der mexikanischen Öffentlichkeit. Denn Marcos ist nicht nur ein charmanter Poet, sondern vor allem Militärstratege einer Armee, die zu Jahresbeginn dem Status quo den Krieg erklärt hatte. Die Blitzdemokratisierung ist ausgeblieben, die Fronten verhärten sich.

Denn ernst ist es auch ihren Gegnern. Zum ersten Mal seit jenen Januartagen spricht das Verteidigungsministerium wieder von „Gesetzesbrechern“, und die Kaffee-finqueros und Viehzüchter, die sich angesichts einer anhaltenden Welle von Landbesetzungen von der Landesregierung im Stich gelassen fühlen, denken immer lauter über „Hilfe zur Selbsthilfe“ nach.

Ein beunruhigendes Novum ist auch der Dissens, der sich in diesen Tagen zwischen dem Vermittler Samuel Ruiz und dem Regierungsunterhändler Jorge Madrazo abzeichnet. Drei Bedingungen zur Wiederaufnahme des Dialogs hatte der Bischof präsentiert: beide Kriegsparteien sollen die im März vereinbarten Feuerlinien akzeptieren; das Problem der chiapanekischen Gouverneurswahlen muß „unter Einschluß aller Akteure“ befriedigend gelöst werden, und schließlich sollen EZLN und Regierung ihren Willen zu einem erneuten, breiter angelegten Dialogversuch erklären. Grundlage dafür sollen die ursprünglichen 32 Forderungen der Zapatistas sein, diesmal mit stärkerem Bezug auf die nationale Ebene.

Das freilich paßt dem Regierungsunterhändler gar nicht. In seinem eigenen Gegenvorschlag geht es in erster Linie um Forderungen an die EZLN: diese solle sich von diversen Delikten distanzieren, Regierungshilfe im eigenen Territorium akzeptieren und vertriebene Familien in ihre Dörfer im Konfliktgebiet zurückkehren lassen. Ansonsten wird lediglich „mitgeteilt“, daß der Präsident wie angekündigt die Einrichtung von Beobachtungs- Camps und einer Verifizierungskommission veranlaßt habe.

Die Chancen für neue Gespräche stehen denkbar schlecht. Stärker als auf papierne Friedenspläne reagiere die Guerilla gegenwärtig, so die EZLN-Führung, auf die „realen Signale des Krieges“: Die Armee hat in den letzten Wochen ihre demonstrativen Manöver in Chiapas verstärkt. „Man kann schlecht reden, wenn gerade ein Tiefflieger über einem kreist“, stellt Marcos lapidar fest.

Aber auch mit der mexikanischen Linken gehen die Zapatisten hart ins Gericht. Bei einem Treffen der Nationalen Demokratischen Konvention (CND) Mitte Oktober machte Marcos seiner Enttäuschung Luft. Vor allem die linke Oppositionspartei PRD treibe ihr parteipolitisches Spielchen mit der CND. Die PRD habe den zivilen Widerstand gebremst und wolle die Rebellen zu einer nachgiebigen Linie zwingen. „Wir werden nicht zulassen, daß ihr herkommt und unsere Leute demoralisiert oder belügt“, empörte sich Marcos. Und der Regierung gegenüber benutzt er eine neue, knallharte Sprache: „Wenn sie Blei sehen wollen, dann werden sie Blei kriegen. Wenn Robledo kommt, gibt es Krieg.“

Um Alternativen zu finden, gibt es Vorbedingungen. Selbst wenn der PRI-Kandidat Eduardo Robledo trotz aller nachgewiesenen Betrügereien die Gouverneurswahlen in Chiapas rechnerisch knapp gewonnen haben sollte – politisch durchsetzbar ist er wahrscheinlich nicht. Aber auch sein linker Gegenspieler Amado Avendaño wird wohl vorerst auf den Gouverneursposten verzichten müssen. Nur ein dritter Mann (oder eine dritte Frau) könnte kurzfristig die Regierbarkeit der Krisenregion garantieren.

Die Einhaltung der fragilen Feuerpause wird wesentlich davon abhängen, ob die Akteure an und zwischen den Fronten genügend politische Phantasie entwickeln, um Regeln und Inhalte für neue, im Wortsinn grenzüberschreitende Gespräche zu entwerfen – und deren Resultate in die Tat umzusetzen. Anne Huffschmid

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