: Neuer Paragraph 218 im alten Gewand
■ Die SPD hat gestern einen neuen Gesetzentwurf zum Abtreibungsrecht eingebracht, der nur in wenigen Punkten vom alten SPD-Entwurf abweicht
Berlin (taz/dpa) – Die Verhandlung des Paragraph 218 geht in eine neue Runde. Nachdem mit der letzten Bundestagswahl eine neue Legislaturperiode eingeläutet wurde, muß nun auch das Abtreibungsrecht erneut verhandelt werden. Gestern legte die SPD-Politikerin Inge Wettig-Danielmeier in Bonn erneut einen Gesetzentwurf ihrer Partei zur Reform des Abtreibungsrechts vor. Neu ist vor allem die Legislaturperiode. Der Entwurf selbst weicht von den SPD-Entwürfen von Januar und Mai 1994 nur unwesentlich ab. Trotzdem betonte Wettig-Danielmeier, daß auf einige Forderungen von FDP und CDU eingegangen worden sei. So seien aus dem gescheiterten Entwurf der Regierungskoalition wortgleich die Passagen übernommen worden, in denen es um Änderungen der Approbationsordnung für Ärzte und um die Begrenzung des Honorars bei Abtreibungen gehe.
An ihren zentralen Positionen hält die SPD jedoch nach wie vor fest. Dazu gehört die Forderung, einkommenschwache Frauen nicht durch die Sozialhilfeträger, sondern durch ein Bundesleistungsgesetz zu finanzieren. Lediglich die Einkommensgrenzen wurden neu definiert: Anspruch auf eine Kostenübernahme sollen Frauen haben, deren persönliches Nettoeinkommen 1.900 Mark nicht überschreitet. Im letzten SPD-Entwurf war ein Bruttoeinkommen von 3.160 Mark als Obergrenze veranschlagt worden.
„Sicherlich ein Knackpunkt“ bei den Gesprächen mit Union und FDP wird nach Einschätzung Wettig-Danielmeiers der „Nötigungsparagraph“ sein. Die Koalition will eine völlig neue Strafform für Familienangehörige schaffen, wenn diese eine Schwangere zur Abtreibung nötigen. Die SPD jedoch fürchtet, daß eine solche Strafverfolgung das Vertrauen in die Familie zerstört. Sie betrachtet den bestehenden Nötigungsparagraphen als ausreichend. In ihrem neuen Entwurf nahm die SPD ihr letztes Angebot, die Neuformulierung des Koalitionsentwurfes durch einen eigenen Zusatz zu konkretisieren, zurück.
Auch bei der Auslegung der Beratungsfunktion beharrt die SPD auf ihrer Position. Während die Koalition die Entscheidungskompetenz der Frauen auf eine „Letztverantwortung“ reduzieren will, besteht die SPD auf der Formulierung „Eigenverantwortung“. Vor allem an diesem Punkt waren im vergangenen September die Verhandlungen zwischen Bundestag und Bundesrat gescheitert.
Auch derzeit sieht Wettig-Danielmeier wenig Chancen für einen fraktionsübergreifenden Gesetzentwurf. Die SPD geht aber davon aus, daß durch ihren Vorstoß schneller eine Lösung gefunden werde, als wenn die Parteien über einen gemeinsamen Entwurf verhandelt hätten. Die SPD setzt auch jetzt wieder auf die FDP, aber auch auf Stimmen in der Union. Eine Abstimmung im Bundestag könnte angesichts der veränderten Mehrheitsverhältnisse ganz anders aussehen als beim letzten Mal. Schon bei der letzten Abstimmung hatte die Koalition nur eine sehr dünne Mehrheit von vier Stimmen für ihren Entwurf erreicht. Sonja Schock
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