: Die Bundesregierung muß draußen bleiben
■ Der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder will Umweltschützer und Atomindustrie zusammenbringen: ohne Bonn. Und ob die SPD mitmacht, „muß man sehen“
taz: Wenn der Castor nach Gorleben kommt, dann gibt es keinen Energiekonsens – so haben Sie im Sommer gedroht. Angela Merkel hat Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtes Lüneburg eingelegt. Auch sie will offenbar den Transport durchsetzen.
Gerhard Schröder: Wenn der Castor kommt, hat es wohl keinen Sinn, weiter mit Herrn Töpfer zu reden. So habe ich mich damals ausgedrückt. Ich hatte nach dem Lüneburger Gerichtsentscheid gehofft, daß seine Amtsnachfolgerin sich die Sache noch einmal in Ruhe überlegt.
Was raten Sie ihr heute?
Für Einsicht ist es nie zu spät...
Was treibt Sie erneut auf die Suche nach dem Energiekonsens?
Ein solcher Konsens ist politisch und auch ökonomisch notwendig. Außerdem bin ich nicht gern in der Rolle desjenigen, über den entschieden wird. Ich will in der Energiepolitik mitentscheiden, auch im Interesse Niedersachsens. Wenn alles so weitergeht wie bisher, besteht die Gefahr, daß wir einziges Entsorgungsland in der Bundesrepublik werden. Auch nach den neuesten Erklärungen der Bundesregierung ist diese Gefahr ganz real.
Aber Ihre Drohung vom Sommer ist wirkungslos verhallt.
Drohungen, die sich als wirkungslos erwiesen haben, muß man nicht wiederholen. Auch jetzt ist mein Adressat nicht die Bundesregierung. Ich werde zunächst mit den gesellschaftlichen Gruppen sprechen, die damals an den Konsensgesprächen beteiligt waren. Ich will den Gesprächsfaden mit den Energieversorgungsunternehmen und den Umweltverbänden wiederaufnehmen. Wenn wir in diesem Kreis auf einen gemeinsamen Nenner kommen, dann wird man am Ende sehen, ob auch die Bundesregierung sich bewegt.
Aber es sind doch die Energieversorger, mit denen Sie reden wollen, die Ihnen hochradioaktiven Müll nach Gorleben schicken.
Es gibt nicht die Energieversorger, sondern sehr unterschiedliche Gruppen mit unterschiedlicher politischer Rationalität. Ich wollte diesen unsinnigen Transport immer vermeiden. Aber schon vor einem halben Jahr habe ich direkt in Gorleben gesagt, wenn die Versorger auf den Transport und die Bundesregierung auf einer Weisung beharren, dann wird dieser Transport vonstatten gehen.
Können Sie an den Verhandlungsstand des vergangenen Herbstes anschließen?
Bisher habe ich nur mit einigen der damals Beteiligten gesprochen. Inzwischen ist ja selbst im Bericht der fünf Wirtschaftsweisen von der Notwendigkeit eines Konsenses in der Energiepolitik die Rede, ähnliches findet sich auch in der Koalitionsvereinbarung, auf die sich in Bonn CDU und FDP geeinigt haben. Allerdings ist zu klären, was ist denn da mit Konsens gemeint ist. Die Bundesregierung will ohne Abstriche auf die Kernenergie setzen. Auf dieser Grundlage ist kein Konsens möglich.
Der von Ihnen getragene Konsensvorschlag sah Restlaufzeiten für die bestehenden AKW und den Bau eines neuen Reaktortyps vor.
Ich habe unser damaliges Konsenspapier für hoch rational gehalten, weil es einen Ausstieg vorsah. Der Wiedereinstieg in eine neue Reaktorlinie wäre nur bei einer Zweidrittelmehrheit des Bundestages möglich gewesen. Dieser Vorschlag ist diskreditiert worden, zum Teil aus Unkenntnis, zum Teil mit politischer Absicht. Er ist auch von der SPD abgelehnt worden.
Eben.
Man muß sehen, ob auch die SPD bereit ist, sich auf eine neue Basis einzulassen.
Für eine Übergangszeit wollten Sie Zwischenlager akzeptieren. Demnach paßt Ihnen jetzt nur der Zeitpunkt der Inbetriebnahme des Gorlebener Zwischenlagers nicht.
Das hat nichts mit dem Zeitpunkt zu tun, sondern mit der gerechten Lastenverteilung unter den Bundesländern, die Bestandteil einer nationalen Lösung sein muß. Wer neue Fakten schafft, bevor es einen Konsens zum Ausstieg gibt, macht den Fehler, die Menge des atomaren Mülls noch einmal zu vergrößern. Das verschärft das Entsorgungsproblem. Deswegen können wir über Entsorgungsstandorte und eine Verteilung der Lasten erst reden, wenn die Müllmengen durch einen Ausstiegsplan feststehen.
Aber Gorleben wollen auch Sie zum Entsorgungsstandort machen.
Ich bin nicht bereit, vor einem Konsens über einzelne Entsorgungsstandorte Aussagen zu machen. Mir geht es um ein Gesamtkonzept.
Die Bundesregierung will auch den Planfeststellungsbeschluß für Schacht Konrad durchsetzen.
Wenn ich diese Strategie widerstandslos akzeptieren würde, könnte ich doch aufhören, Politik zu machen. Wenn es uns nicht bald gelingt, die gesetzlichen Grundlagen zu verändern, wird Niedersachsen allerdings immer wieder Niederlagen erleiden. Aus dieser Situation will ich herauskommen.
Wenn der Castor doch noch kommt, so haben Ihnen die Grünen – etwa Jürgen Trittin – empfohlen, einfach die Polizei nicht ins Wendland zu schicken.
Solche Empfehlungen gibt Herr Trittin auch erst, seit er wieder in der Opposition sitzt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen