„Wir haben Fun auch so“

Wie die alten Männer des Weltskiverbandes FIS versuchen, dem unabhängigen Snowboard-Verband ISF den Garaus zu machen  ■ Aus Les Deux Alpes Thomas Lötz

Entschieden holt Sandra Bichsel kurz Luft und stößt dann aus: „FIS ist scheiße!“ Die 21jährige Schweizerin ist seit drei Jahren Snowboard-Pro. Und wenn man sie auf den Internationalen Skiverband anspricht, die Fédération Internationale du Ski (FIS), dann wird sie verdammt wütend, fast alters-starrsinnig. „Wir werden nie in unserem Leben bei einem FIS- Rennen starten!“

Der Grund für eine solche, in Snowboard-Kreisen alles andere als vereinzelte Reaktion auf das Drei-Buchstaben-Wort liegt in den Bestrebungen des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) und seiner ausführenden Unterabteilung FIS, Snowboarden bis zum Jahr 1998 olympisch zu machen. Bei diesem Unternehmen indes haben IOC-Präsident Juan Antonio Samaranch, besonders aber sein Vize Marc Hodler (zweites Pöstchen: FIS-Präsident) ein Vergangenheitsproblem. In den letzten Jahren haben sie und die ihnen hörigen „G'schaftlhuber“ das Snowboarden immer wieder stigmatisiert: Es handele sich um eine vergängliche Modesportart, die umweltzerstörender als das Skifahren sei, und was ihnen sonst noch so einfiel.

Das mit der Umweltzerstörung stimmt. Ungeachtet dessen und aller Reden jedoch ist die Zahl der Snowboard-Junkies stetig angewachsen, und die so Gescholtenen haben sich mittlerweile eine eigene, autonome Landschaft angelegt. Während in den Lagerhallen der alpinen Ski-Industrie massenweise neueste Ausrüstungen vergammeln, boomt Snowboarden gerade unter Jugendlichen. Und das ist vor allem der Tatsache zu verdanken, daß sowohl der institutionelle als auch der industrielle Zweig nach dem verläßlichen Prinzip der credibility funktionieren, einer Eigenschaft also, die für FIS- Obere bisweilen noch Terra incognita ist. „Das sind Leute, die 50 oder 60 Jahre alt sind. Die verstehen unser Denken und unseren Lifestyle nicht“, sagt der 23jährige Österreicher Max Plötzeneder, ein Weltklasse-Snowboarder in der Halfpipe.

Die International Snowboard Federation (ISF) und ihre nationalen Unterverbände, die Snowboard-Rennen und seit drei Jahren sogar einen eigenen Weltcup („World Pro Tour“) organisieren, sind besetzt mit ehemaligen Aktiven, die die Probleme und Bedürfnisse der Snowboarder kennen. Diesem Verband gehört auch die Fahrergewerkschaft PSA an, der in allen Fragen wichtige Mitspracherechte eingeräumt sind – davon können die Kollegen im alpinen Zirkus nur träumen (vgl. „Die Lust am Rasen“, Leibesübungen vom 23. November). Und auch die in die ISF integrierte Snowboard-Industrie hat Glaubwürdigkeit. Firmen wie Nitro, Burton, Pogo, Santa Cruz, Sims, Crazy Banana, Doorslammer, Rad Air und Vision haben im Gegensatz zur alpinen Konkurrenz keine Absatzprobleme (wenn auch bei kleineren Stückzahlen). Denn ihre Kunden wissen, daß auch hinter den meisten dieser Marken Leute stehen, die selbst Snowboard gefahren sind oder das immer noch tun. Deshalb haben auch traditionelle Alpin-Ski-Firmen wie Rossignol, die seit geraumer Zeit ebenfalls Boards anbieten, keine Chance am Markt. Und so darf sich Claudia Rickmann, PR-Frau der ISF für Europa, auch lächelnd zurücklehnen und feststellen: „Im Snowboarden sind wir kompetenter als die FIS.“

Die versucht nun aber mit allen Mitteln, verloren gegangenes Terrain zurückzuerobern. Zwar unterzeichnete FIS-Präsident Hodler noch im letzten Jahr ein Dokument, das der ISF das alleinige Recht zuspricht, Snowboard-Rennen durchzuführen. Doch das ist Schnee und Geschwätz von gestern. Da Snowboarden eben die einzige Wintersportdisziplin ist, die für die nächsten Jahre enorme Zuwachsraten verspricht, muß der Alpin-Verband jetzt handeln. Vom Glanz des Geldes angezogen und von der Angst um Machtverlust getrieben, versucht die FIS, eine Olympiateilnahme vorbereitend, ihren eigenen Snowboard- World-Cup zu etablieren. Und im Zuge dieser Kampagne dürfen dann auch so großartige Funktionäre wie der Sportdirektor des Deutschen Ski-Verbandes, Helmut Weinbuch, tollkühn verkünden: „Die Fahrer müssen sich zu Saisonbeginn entscheiden. Es gibt keinen Tanz auf zwei Hochzeiten.“ Was der Olympiasieger-Vater, sämtlicher Logik zum Trotz, unterschlägt: Allein die Ignoranz der FIS hat diese Snowboard-Bigamie möglich gemacht.

Die Fronten sind abgesteckt, und die FIS hat die schlechteren Karten, weil für Snowboarder der Begriff Solidarität etwas zählt: Als das Gerücht aufkam, der Board- und Klamotten-Hersteller O'Neill würde in Bälde auf die Seite der FIS überwechseln, wollten zwei der O'Neill-Pros sofort ihre Ausrüsterverträge kündigen. In diesem Sinne denkt auch Sandra Bichsel: „Wenn Snowboarden ohne unsere eigene Organisation olympisch wird, dann verzichten wir halt auf Olympia. Die brauchen wir nicht. Wir haben unseren Fun auch so.“