Life is a Highway

■ Im bequemen Bus durch die endlose Landschaft Australiens. Nette Unterhaltung bieten Videos mit Charles Bronson oder Erzählungen zur weißen Geschichte

Aus dem Herbst gebeamt und Glück gehabt. Die letzte Reihe im Bus Australia Coach. So kommen wir mit ein wenig mehr Beinfreiheit durch die Nacht. Nach einiger Zeit der Akklimatisation an ein Jahr mit zwei Frühlingen in Sydney die erste Reise in Australien. Obwohl es nur darum geht, die billigste Verbindung zwischen den Küstenmetropolen wahrzunehmen, pocht die Aufregung.

Die Neonschriften verblassen auf unserem Weg aus der Stadt. Großzügige Helligkeit umgibt uns auf unserer Sammeltour durch die Suburbs. In Parramatta steigen die letzten Passagiere zu, reiseerfahren, behängt mit Kissen, Decken und Picknickkörben. Gelassen richten sie sich auf ihren Plätzen ein. Bauen sich Schlafnester, nehmen einen letzten Imbiß ein und kümmern sich wenig um die freundliche Begrüßung unseres Reisebegleiters. Dieser heißt Bruce und uns im Namen der Busgesellschaft willkommen. Professionell plaudert er über den gewünschten Reiseablauf und läßt keine Minute unverplant. Als er zum Schluß filmische Unterhaltung ankündigt, fehlt nur noch die Höhenangabe, um den Bus über den Wolken zu vermuten.

Entspannung in Form von Videos. Ich bereue, so weit vom Bildschirm entfernt zu sitzen. Die Darbietung beginnt mit einem Film zur – weißen – Geschichte Australiens über die Tramp-Dichter Henry Lawson und Banjo Patterson, die das harte Leben der swagmen (swag = Wolldecke, in die die Habseligkeiten eingerollt wurden) führten. Nach dem Motto „Der Künstler soll und muß leiden“ lieferte es Stoff für unzählige, noch heute beliebte Balladen und Geschichten. Der dezente Hinweis auf die Vorteile von vollklimatisierten Bussen mit Videovergnügen geht nicht an den Passgieren vorüber. Alle sind froh, daß die alten Zeiten vorbei sind. Als die Nachkommen der Sträflinge auf der Suche nach Arbeit und sich selbst auf kaum vorhandenen Straßen einsam umherwanderten und höchstens einen Schluck Whiskey als Trost gegen die Tücken des Outbacks hatten. Wo „Redback“ (Spinnenart) noch Tod bedeutete und nicht die neueste Biersorte. Aber sie müssen doch mehr als einen Schluck booze gehabt haben, denn die beiden wandernden Poeten soffen sich zu Tode. Das soll uns eine Lehre sein. In der Pause vor dem Hauptfilm werden wir vom Fahrer ermahnt, doch bitte eventuell vorhandenen Alkohol in seine sicher verwahrenden Hände zu geben und die begrenzten Kapazitäten des chemischen Klos zu beachten.

Nach diesem pädagogischen Vorspiel dürfen wir Charles Bronson bewundern, der zwei Stunden mit der Panzerfaust für seine First Lady kämpft. Das Fernsehen lenkt von den Beschwerlichkeiten des Reisens ab. Die Gefahren der Welt werden in einen kleinen Monitor gebannt. Heiter wenden wir uns zerstreuenden Gedanken zu, wie dem, daß die enorme Bedeutung, die die Highways in diesem riesigen Land haben, sich, wenn auch nicht immer in der Instandhaltung, so doch in einer poetisch-patriotischen Namensgebung ausdrückt: Wir können den Spuren unglücklicher Entdecker folgen, aber auch der Dame Melba, deren Opernkarriere weltweit mit einem Nachtisch gedacht wird, in Australien aber mit einem Highway.

TEN, das Transit Entertainment Network, verabschiedet sich mit einem herzlichen „Be Proud of Australia“. Sollte man/frau diese Art der Unterhaltung versehentlich verschlafen haben, sind die Videos auch käuflich zu erstehen.

Wir träumen uns weiter in die Nacht hinein. Bewegen uns auf einer yellow brick road in ein Zauberland des Halbschlafs. Gumtrees schleichen vorbei, Riesen und Gnome. Der Gießkannenmann klaut den Koalas das seligmachende Manna. Jenseits des Regenbogens fallen wir in Schlaf, und Judy Garland heiratet ein Krokodil. Folgen den songlines der Zivilisation und wünschten, wir hätten sie auch nur geträumt. Maggie Thieme