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Gesucht: Die Glaubwürdigkeit der Unprofor

■ Die UN-Truppen in Bosnien betreiben offenbar Politik der Desinformation

Sarajevo (AP) – Die Militärkommandantur der Vereinten Nationen in Bosnien spielt die Verletzungen der Schutzzone um Bihać durch die Serben offenbar herunter. Wohl aus Sorge, entsprechende Berichte seitens der UN könnten die Glaubwürdigkeit ihrer Friedensbemühungen untergraben und zudem den Druck auf Nato und UN erhöhen, verstärkt militärisch einzugreifen, sind die UN-Sprecher weitgehend dazu übergegangen, dem Geschehen um Bihać einen positiven Anstrich zu verleihen. Ähnliches hatten sie schon im April vorgeführt, als die serbischen Truppen die Schutzzone von Goražde belagerten.

Ein Beispiel, wie die Sprecher der UN-Schutztruppen (Unprofor) in letzter Zeit Zweifel an der Glaubwürdigkeit von Berichten über Verletzungen der Schutzzone durch Serben förderten: In der vergangenen Woche versicherte UN-Sprecher Oberstleutnant Tim Spicer wiederholt, die kroatischen Serben würden die Zone von acht bis zehn Kilometern rund um Bihać respektieren. Außerdem erwähnte er, daß die UN wegen des Granatfeuers einen Beobachtungsposten räumen mußten. Später fanden Journalisten, die Zugang zu UN-Kartenmaterial haben, heraus, daß dieser Posten innerhalb der Schutzzone liegt.

Eine weiteres gängiges Mittel der Vereinten Nationen scheint zu sein, Berichte über Angriffe und Verletzungen der Schutzzone zunächst als „unbestätigt“ hinzustellen, obwohl sie auf sicheren Informationen beruhen. So bestätigten UN-Sprecher erst zwei Tage nach den ersten entsprechenden Berichten der Regierungstruppen, daß Serben von Kroatien aus die Grenze überschritten hatten und sich in deutlicher Verletzung von UN-Weisungen an den Kämpfen beteiligten.

Es ist schwierig geworden, an Informationen aus erster Hand aus dem Kampfgebiet zu kommen. Die Serben, die den Zugang zu dem umkämpften Gebiet kontrollieren, lassen keine Journalisten mehr durch. Das UN-Hauptquartier in Zagreb weigert sich, Reporter mit den UN-Büros in Bihać zu verbinden.

Die Nato hatte Militärschläge angekündigt, falls die bosnischen Serben in die Schutzzone um Bihać eindringen würden. Nachdem die UN nun zugeben müssen, daß dieser Fall eingetreten ist, scheint sie jedoch anstelle von Nato-Angriffen auf ein anderes Mittel zurückgreifen zu wollen: die Grenzlinien der Bihać-Schutzzone neu zu ziehen. „Wir bestehen darauf, daß die Linie uneingeschränkt respektiert wird“, bekräftigte der Kommandeur der UN-Truppen in Bosnien, Generalleutnant Michael Rose, am Donnerstag. „Ich sage nicht, daß die Linie genau dort bleiben wird, wo sie derzeit verläuft“, fügte er hinzu. Robert Reid

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