: Die bosnische Armee räumt Bihać
■ Brüchiger Waffenstillstand / Pläne für Rückzug der UN-Truppen aus Bosnien unter Nato-Schutz
Sarajevo/Zagreb (AFP/dpa/Reuter) – In der UN-Schutzzone Bihać im Nordwesten Bosniens ist gestern um 9 Uhr morgens ein Waffenstillstand in Kraft getreten, nachdem serbische Truppen sich bis auf einige hundert Meter an das Stadtzentrum herangekämpft hatten. Während UN-General Michael Rose in Sarajevo ein Abflauen der Kämpfe meldete, berichtete noch um 10.35 Uhr ein Journalist des bosnischen Fersehens aus Bihać, am Rande der Stadt sei weiterhin Artillerie-, Panzer- und Haubitzenfeuer zu hören, das Stadtzentrum werde massiv beschossen. Die Bevölkerung sei angewiesen worden, die Schutzräume aufzusuchen. Aus den Dörfern um Bihać fliehen noch immer Menschen ins Stadtzentrum, andere beginnen bereits, sich von dort nach Norden abzusetzen. Eine Presseagentur in Zagreb zitierte Kreise aus dem 5. Bosnischen Armeekorps mit den Worten, an den Straßen nach Bihać lägen viele Leichen. Die Reste der bosnischen Truppen, ohnehin nur noch 400 Soldaten, sollen nach Angaben von Unprofor unterdessen begonnen haben, aus Bihać abzuziehen.
Vertreter der mehrheitlich moslemischen bosnischen Regierung und der bosnischen Serben trafen sich auf dem Flughafen von Sarajevo mit General Rose sowie dem Unprofor-Kommandeur für Sarajevo, Herve Gobilliard, um Einzelheiten des Waffenstillstandes auszuhandeln. Die Führung der bosnischen Serben stellte Bedingungen für den Waffenstillstand in Bihać. Unter Berufung auf den „Regierungssprecher“ Jovan Zametica berichtete das bosnisch-serbische Fernsehen, daß die Waffenruhe bei Bihać in einen allgemeinen Waffenstillstand an allen Fronten Bosniens münden solle. Ein entsprechendes Angebot hat auch Bosniens Ministerpräsident Silajdžić unterbreitet. Die bosnischen Serben forderten jedoch die Wiederherstellung der „alten“ Frontlinien, wie sie in Zentralbosnien vor der Eroberung der Stadt Kupres und des Berges Igman durch die Oktoberoffensive der Regierungstruppen und der bosnischen Kroaten bestanden. Die Verhandlungen sollen heute weitergehen.
Der britische Premier Major forderte, die Unprofor müsse sich aus Bosnien zurückziehen, wenn der Krieg wieder voll aufflamme oder die bosnische Regierung vom UN-Waffenembargo ausgenommen werde. Nato-Generalsekretär Claes erklärte, noch sei ein Rückzug der UN-Truppen nicht aktuell. Aus Nato-Kreisen wurden jedoch Pläne bekannt, im Falle eines Rückzugs unter feindlichen Bedingungen bis zu 250.000 Soldaten zum Schutz der UN-Truppen nach Bosnien zu schicken, bei einem friedlichen Abzug immerhin noch 20.000 Mann. Siehe auch Seite 8
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen