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Am Ende der Laufbahn einfach sterben

■ 0:0 und wieder nicht gewonnen: Stürmischer HSV findet das Tor nicht Von Claudia Thomsen

Daß Friedel Rausch „zufrieden“ mit sich und seinen Jungs vom FCK heim ins Schwäbische kehrt, ist zu verstehen. Warum aber gab Benno Möhlmann nach Abpfiff an, „zufrieden“ mit der torlosen Begegnung vor heimischer Kulisse zu sein? Wollte er die Spieler geschmackvoll auf den Pott setzen, so nach dem Motto: Na ja, mit der Truppe ist eben nicht mehr drin?

Ein Abfinden mit der Vergeblichkeit aller hanseatischen Mühen klang auch in der tonlosen Feststellung an, die anfangs zahlreichen Torchancen nicht genutzt zu haben, „wie wir es hier ja schon kennen“. Benno Möhlmann – ein Fatalist?

Mitnichten. Die scheinbare Emotionslosigkeit des Coaches ist lediglich als ironische Verfeinerung jener Pampigkeit zu verstehen, mit der sich der 40jährige nervige JournalistInnen bereits zu Beginn seiner Karriere beim HSV vom Hals zu halten suchte. Besonders erfreulich ist, daß der Trainer in punkto Selbstironie einen kongenialen Partner gefunden hat, dessen Humor scheinbar erst auf der Ersatzbank wirklich reifen konnte: Richard Golz.

Der Keeper im Schatten Uli Steins nutzte den Spot, der in Form des Spieler-Fragebogens im aktuellen HSV-Stadionmagazin auf ihn gerichtet war, bravourös. Sein Lieblingsschauspieler sei Sergeij Kiriakow gab der Mann, dem nur Schuhe Größe 47 passen, an. Sein Lieblingsverein sei der MSV Duisburg (!), sein Saisonziel lautet „Banklehre beenden“ und auf die Frage „Was machen Sie nach Beendigung Ihrer Laufbahn“ steht schlicht „Sterben“.

Äußerungen, die einen reizvollen Kontrast zur vorgegaukelten hanseatischen Vornehmheit bieten, womit wir beim sonnabendlichen Spiel wären. Denn vornehm, abgeklärt und ruhig spielten hier nur die Gäste, mit einem ebenso überraschenden wie hervorragenden Ciriaco Sforza als Libero.

Der HSV stürmte. Sicher, Jörn Andersens Kopfball in der 9. Minute hätte statt am rechten Innenpfosten auch im Netz landen können, drei Minuten später trennten den Norweger und das Tor erneut nur wenige Zentimeter, Valdas Ivanauskas und Jörg Albertz hätten weniger zögerlich agieren und in der 28. bzw. 32. Minute treffen müssen. Und vor allem Harald Spörls Kopfball sieben Minuten vor dem Halbzeitpfiff hatten die meisten der 24 800 Fans schon als Tor verbucht.

Doch: Es war Uli Stein und nicht sein beim HSV einst gescheiterter Kollege Andreas Reinke, der in der 72. und 76. Minute hinter sich greifen mußte. Beide Tore wurden nicht gegeben. Nummer eins, den Treffer von Stefan Kuntz nach einer kurzen Flanke von Pavel Kuka, hielt der Linienrichter für Abseits – ein Irrtum. Und Nummer zwei, ein Freistoß von Martin Wagner, wurde ausgeführt, als Schiri Casper noch am ordnen der Mauer war.

Spannung trotz Torlosigkeit, das gibt es selten in der Bundesliga und entsprechend irritiert machten sich dann auch die blau-weißen Fans auf den Heimweg. Ihr Röhren, welches sich am Volkspark vornehmlich bei heimischem Torerfolg entlädt und somit noch in den Hälsen steckte, beschallte den Stellinger U-Bahntunnel in Form von Schmähgesängen auf den KSC, das Millerntor und Lolita Matthäus. Die Empfehlung von unten für das Saisonziel lautete unüberhörbar: Zufriedenheit beenden!

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