: Zeit macht nicht nur vor dem Teufel halt
Weil Torhüter Klos bummelte und Schiedsrichter Dardenne die Uhr lesen kann, schaffen die Gladbacher Borussen noch den 3:3-Ausgleich gegen die Borussen aus Dortmund ■ Aus Mönchengladbach Holger Jenrich
Vor dem Anpfiff war man sich einig. „Es gibt nur eine Borussia“, tönte es lautstark aus gelb-schwarzen wie grün-weißen Kehlen. Zwei Stunden später mußten sie sich korrigieren: Es gibt zwei. Die eine aus Dortmund ist erwartungsgemäß Klassenbeste und hatte gerade einen Punkt verbaselt. Die andere aus Mönchengladbach ist überraschend Tabellendritte und hatte gerade einen Punkt behalten.
Daß es zu einer hochklassigen Partie und zu einem hitchkockigen Finale kommen konnte, war nicht zuletzt Dortmunds Torwart Stefan Klos zu verdanken. Nicht daß er in Ollie-Reckscher Fliegenfängermanier an den Bällen vorbei gehechtet wäre. Nein: Der Dortmunder Torhüter präsentierte sich als sicherer Schlußmann – aber auch als notorischer Zeitschinder. Der BVB wurde dafür bestraft, als Fach in der Nachspielzeit das Leder zum nicht mehr für möglich gehaltenen 3:3-Ausgleich einnickte.
Auch ohne die tragische Figur Klos, auch ohne den Treffer in vorletzter Sekunde stand die Begegnung in guter Tradition: Wenn die Namensvettern aufeinandertrafen, wurd's nicht selten torreich. 1965 gab's mehr Elfmeter als Eckbälle und ein 5:4 für die Dortmunder Gäste. 1971 fielen in der „Roten Erde“ drei Tore in zwei Minuten beim 4:3 für Gladbach. Und 1978 die 12:0-Torflut: Sie brachte dem damaligen BVB-Coach Rehhagel den Beinamen „Otto Torhagel“ ein.
Diesmal blieb die Trefferquote beinahe bescheiden. Die ersten vier Tore fielen dabei fast folgerichtig und ausgewogen verteilt: Die Gastgeber belohnten sich für ihren Offensivdrang mit Herrlichs zwischenzeitlichen 1:1-Ausgleich. Und die Gäste heimsten als Preis für ihre Darbietung der Sonderklasse zwei Tore von Chapuisat und einen Kopfballtreffer von Kapitän Zorc ein, dem Gladbachs Manager Rüssmann zu gemeinsamen Dortmunder Langhaar-Zeiten dereinst den Spitznamen „Susi“ verpaßt hatte.
Bis zur 81. Minute sah's denn auch nach einem ungefährdeten Erfolg des Tabellenführers aus. Bei BVB griff, dem ungestümen Drang von Effenberg, Hochstätter und Co. trotzend, ein Rädchen ins andere: Reuter war stark, Sammer souverän, Cesar sensationell und Klos hatte bekanntlich alle Zeit der Welt. Gladbachs Coach Krauss hatte hingegen das richtige Händchen. Für den kleinen Wynhoff brachte er den langen Fach, für Mittelfeldrenner Nielsen Angriffsrackerer Max. Dessen Flanke köpfte Dahlin in besagter 81. Minute zum 2:3 ein. Hitzfelds umgehende Maurerarbeiten nutzten nichts: Trotz eines für die Schlußminuten um Franck und Kutowski verstärkten Abwehrbollwerks fing sich seine Truppe fast mit dem Schlußpfiff noch den Ausgleich.
Wobei nicht vergessen werden sollte, daß schon nach einer halben Stunde in beiden Netzen gut und gerne acht Bälle hätten zappeln können. Die BVB-Fahnenschwenker sahen in dieser Phase in ihrem Libero den Garanten des Erfolges: „Gegen Sammer habt ihr keine Chance“, teilten sie den gegnerischen Kickern in grölendem Gospel mit. Die Fans auf der Gegenseite hatten nach etlichen verqueren Pfiffen hingegen einen Mann aus Nechernich statt einen aus Dortmund als Hindernis ausgemacht und antworteten postwendend mit „Ohne Schiri habt ihr keine Chance“. Erst am Ende waren sie wieder lieb zu Georg Dardenne: Erst pfiff der reichlich kleinlich ein Foul gegen Dortmund, dann nach Kastenmaier- Freistoß und Fach-Kopfball-Tor die Partie ab. Die notorische Nordkurve war außer sich vor Freude, Keeper Klos außer sich vor Zorn. Mußte er doch lernen, daß ihn in seinen Teenie-Tagen Barry Ryan angelogen hatte: Zeit macht mitnichten nur vor dem Teufel halt.
Borussia Dortmund: Klos - Sammer - Cesar, Schmidt - Reuter (86. Franck), Zorc, Möller, Freund, Reinhardt - Riedle, Chapuisat (88. Kutowski)
Zuschauer: 34.500 (ausverkauft)
Tore: 0:1 Zorc (10.), 1:1 Herrlich (18.), 1:2 Chapuisat (23.), 1:3 Chapuisat (45.), 2:3 Dahlin (81.), 3:3 Fach (90.)
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