: Mit Atomgeneratoren zum Saturn
US-Raumsonde soll mit 32 Kilogramm Plutonium an Bord ins Weltall starten ■ Von Anatol Johansen
Der Einsatz der Atomenergie im Weltraum begann schon in den sechziger Jahren. Die Amerikaner rüsteten unter anderem kleine, unbemannte Forschungsstationen mit Atomgeneratoren aus, die von den ersten Mondbesuchern auf unserem Nachtgestirn zurückgelassen wurden.
Jetzt aber sieht sich der Einsatz von Atomenergie im Weltraum vor einer vielleicht entscheidenden Hürde, zumindest in den Vereinigten Staaten. Das US-amerikanische Energieministerium, das bisher die Entwicklung und die Infrastruktur für jene thermoelektrischen Radioisotopen-Generatoren (RTG) bezahlt hat, die – hoch über unseren Köpfen – mit Plutonium arbeiten, will nach 1996 diese Zahlungen völlig einstellen. Diese Entscheidung ist weniger auf Sicherheitsbedenken des Energie- Ministeriums als auf Budget- Zwänge zurückzuführen. Doch will die NASA, noch ehe der Bau der RTGs endgültig gestoppt wird, die bisher größte Plutonium-Ladung ins Weltall bringen.
Bislang hat man diese Generatoren vor allem bei Vorstößen von unbemannten Sonden zu den äußeren Planeten eingesetzt, da dort die Erzeugung von Solarenergie schwierig ist. Am Saturn etwa ist die Sonnenstrahlung nur noch ein Hundertstel so stark wie auf der Erde. Allerdings waren auch die US-Militärs an den kompakten nuklearen Stromerzeugern interessiert, die jene Hitze, die beim Zerfall von Plutonium entsteht, in elektrische Energie umwandeln. Immerhin können die RTGs auch für die Stromversorgung von Radar- und anderen Satelliten eingesetzt werden.
Die Raumsonde Cassini, die Anfang Oktober 1997 auf eine Acht-Jahres-Reise zum größten Mond des Saturns, dem Titan, geschickt werden soll, wird mit drei RTGs ausgerüstet. Jeder dieser Generatoren ist mit mehr als 10 Kilogramm Plutonium bestückt, insgesamt sollen 32 Kilogramm an Bord mitgenommen werden.
Dies dürfte noch zu erheblichen Protesten von Umweltschützern führen. Für die Wissenschaft ist der Saturn-Mond von erheblichem Interesse – Titan ist der einzige Mond in unserem Sonnensystem, der über eine eigene Atmosphäre verfügt. Sie besteht hauptsächlich aus Stickstoff. Der Luftdruck dieser Atmosphäre ist etwa eineinhalbmal so groß wie der auf der Erde. So glaubt man, daß sich auf dem Titan präbiotisches Material finden lasse, das gegebenenfalls auch Anhaltspunkte für die Entstehung oder die Entwicklung des Lebens auf der Erde liefern dürfte.
Aus diesem Grund hat sich auch die Europäische Weltraum-Organisation ESA an dem Unternehmen beteiligt. Sie liefert eine spezielle Abstiegssonde namens Huygens, die von Cassini aus in die Atmosphäre des Titans hinabgeschickt werden und dort Messungen vornehmen soll.
Doch noch hat Cassini die entscheidende Hürde nicht genommen. Ohnehin ist das unbemannte Raumfluggerät – mit einem Gewicht von etwa acht Tonnen die schwerste aller bisherigen interplanetaren Sonden – eine Art Fossil aus einer Zeit, da die NASA noch nicht so sparen mußte wie heute und noch auf große, aufwendige Programme setzte. Es ist das letzte große Milliarden-Programm der amerikanischen Planetenforschung und kostet – über die gesamte Laufzeit des Vorhabens gesehen – 3,4 Milliarden Dollar, von denen fast ein Drittel schon ausgegeben wurde. Doch immer noch ist die volle Finanzierung von Cassini nicht gesichert. Es gibt genügend Gegner des Programms, die der Sonde noch den Garaus machen möchten, nicht zuletzt wegen des Plutoniums, das sie an Bord nehmen soll.
Inzwischen weist die NASA schon vorsorglich darauf hin, daß die radioaktive Fracht ihrer Meinung nach nur ein sehr geringes Risiko für die Erdbewohner darstelle. In einem NASA-Report, der vor wenigen Wochen vorgelegt wurde, werden die Möglichkeiten für ein Unglück, bei dem Plutonium frei werden könnte, mit etwa 1 zu 1,3 Millionen angegeben. Im schlimmsten Fall aller anzunehmenden Fälle, so heißt es dort, würde die Krebsrate auf der Erde um 0,0005 Prozent anwachsen. Das hieße, daß bis zum Jahre 2050 zusätzlich 1.900 bis 3.500 Krebstote zu erwarten wären.
Die NASA betont zwar, daß sich das Plutonium in sehr massiven Sicherheitsbehältern befände, die auch eine Explosion der Rakete auf der Startrampe unbeschadet überstehen würden. Anders sähe es jedoch aus, wenn die Rakete erst einige Minuten nach dem Abheben explodierte. Dann würden ihre Trümmer auf Afrika herabregnen, und der Aufprall wäre stark genug, unter Umständen auch die Plutoniumbehälter in Mitleidenschaft zu ziehen. Dabei könnte nach Ansicht der NASA ein Gebiet von einem Quadratkilometer radioaktiv verseucht werden.
Zu größeren radioaktiven Kontaminierungen könnte es kommen, wenn Cassini auf der Erdumlaufbahn auseinanderbrechen würde und auf die Erde zurückstürzte. Cassini fliegt eine komplizierte Bahn, um sich den nötigen Schwung für die weite Reise zu den fernen äußeren Planeten zu holen. Dabei wird erst zweimal die Venus und dann einmal die Erde umrundet, wobei sich Cassini unserem Planeten wieder bis auf 500 Kilometer annähert. Schlägt die Sonde bei dieser Gelegenheit bei einem fehllaufenden Manöver auf die Erde auf, wird nach den NASA- Berechnungen ein Drittel ihres Plutoniums vorerst in der Atmosphäre verbleiben und mit der Zeit nach und nach als radioaktiver Fallout niedergehen. Die anderen zwei Drittel des Plutoniums würden sofort auf die Erde niederregnen. Eine Kontaminierung größerer Regionen ist dann unausweichlich.
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