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Auto-Exorzismus mit Road Pricing per High Tech

■ GAL will kilometerabhängige Gebühren für die PKW-Benutzung in der Stadt

Die Nahverkehrsabgabe ist out, „Road Pricing“ ist in. Während die Verkehrsbehörde seit 1991 über einer Senatsanfrage brütet, die wissen will, ob Hamburg eine Nahverkehrsabgabe einführen soll, setzen die Bündnisgrünen auf High Tech vom Feinsten. Schnuckelige „Smart Cards“ in „On-board-units“ sollen nach ihren Vorstellungen künftig per Funk über Baken oder Satelliten verursachergerecht die Konten von Autofahrern plündern. „Elektronische Gebührenerhebung richtig eingesetzt kann“, so GAL-Verkehrsschattensenator Martin Schmidt, „einen wesentlichen Beitrag für eine ökologische Verkehrspolitik in Ballungsräumen leisten.“

Die Grundidee ist ebenso schlicht wie raffiniert: „Road Pricing“, altdeutsch „Straßenbenutzungsgebühr“, will den Straßenraum nach Inanspruchnahme bezahlt wissen. Technisch ist das schon heute machbar: Von der mit Mikroprozessoren aufgepeppten Smart Card, die – äußerlich einer Telefonkarte ähnlich – in ein Sende- und Empfangsgerät (on board unit) an der PKW-Windschutzscheibe gesteckt wird, kann per Funk abgebucht werden.

Am Ende, so träumen die Techniker, steht der gläserne Autofahrer: Eine entsprechende Auto-Elektronik vorausgesetzt, könnte der Weg jedes einzelnen Fahrzeugs inklusive seines technischen Zustandes und seiner Verkehrsverstöße zentral überwacht und aufgezeichnet werden. Die Autofahrerin wieder darf auch mit dem Big Brother sprechen – per Tastatur und zum Beispiel, um Wegführung, Parktips und Umsteigemöglichkeiten in öffentliche Verkehrsmittel zu erfragen. Big Brother antwortet per Leuchtzeichen, die auf der Winschutzscheibe ins „Head-up-display“ eingespiegelt werden.

Noch freilich brauchen Hamburgs AutofahrerInnen nicht zu zittern. Die von den europäischen Verkehrs- und Forschungsministern sowie der Großindustrie mit gewaltigem Aufwand betriebene Forschung und Erprobung verschiedener derartiger Systeme soll erst 1998 zu einer europaweiten Freigabe führen. Bettina Meyer, finanzpolitische Beraterin der Grünen in Sachen Verkehr, meint denn auch: „Zum heutigen Zeitpunkt ist eine Initiative für die Einführung einer elektronisch erhobenen Abgabe auf die Kraftfahrzeug-Nutzung in Hamburg wenig sinnvoll.“

Stattdessen soll der Senat, so will es ein grüner Bürgerschaftsantrag, sich aktiv dafür einsetzen, daß „Road Pricing“ von der technischen und gesetzgeberischen Seite her zu einem wirksamen verkehrspolitischen Instrument ausgebaut wird. Martin Schmidt will die neue Technik von Beginn an in die richtige Richtung entwickelt sehen. Während einige innergrüne Kritiker grundsätzliche Bedenken gegen das „elektronische Teufelszeug“ hegen, ist sich die Partei aber hinsichtlich der Nahverkehrsabgabe einig: Diese statistische Autosteuer wirft nicht nur juristische Probleme auf, sie führt auch zu sozialen Ungerechtigkeiten und trifft den Verursacher nicht präzise genug. Florian Marten

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