Schriften zu Zeitschriften: Links-Rechts-Dimension
■ „Vor der Information“ publiziert Daten zu Nationalismus und Kunst
Noch ist nicht alle Information fertig im Kunstsystem verarbeitet. Die von drei Wiener KünstlerInnen, Simone Bader, Richard Ferkl und Jo Schmeiser, entworfene Zeitschrift Vor der Information bringt dazu einige Vorschläge: Die Anzeigen etwa von Galerien und Kulturinstitutionen, die sie vorfinanzierten, sehen deutlich anders aus als gewohnt. Statt nur Künstlernamen zu nennen geben sie in der Tat Auskünfte über Programm, Ausstattung, Werdegang, oder sie mischen sich einfach in aktuelle Diskussionen ein und benutzen das Statement als Werbung. In den Artikeln konfrontiert man die eingeladenen Künstler und Autoren mit Fragen und Briefen oder vernetzt und verwickelt sie in Diskussionen. Diese Gespräche „vor der Information“, der endgültigen Publikation, werden in der jeweils originären Form vorgestellt. Die Zeitschrift teilt ihre Auseinandersetzung um und mit Kunst in zwei Blöcke auf: „Art-track“ und theoretischer „Text-track“.
Und hier glänzt die dem „Politischen“ gewidmete Nr.1/2 mit einem Beitrag von Ulf Wuggenig über Nationalismus und (Neo-)Rassismus in der Kunstwelt; zutage getreten anläßlich der Entscheidung einiger Staaten, sich auf der 45. Biennale in Venedig nicht nur durch KünstlerInnen des eigenen Landes vertreten zu lassen. Nirgendwo war die Aufregung größer als in Österreich, wo kein Geringerer als Arnulf Rainer gegen „die angeheuerte Amerikanerin A. Fraser“ und „spätmarxistische Vorlesungen auf dem Markusplatz“ polemisierte. Eine in Kooperation mit dem Institut für Kulturforschung Wien von der Universität Lüneburg durchgeführte Studie „Feldforschung: Bildende Kunst“ nahm dies zum Anlaß und fragte nach der nationalen Identifikation von rund 1.500 Besuchern von Ausstellungen zeitgenössischer Kunst in Wien und Hamburg. Etwa in der Form, ob unter den „Dingen, die das Leben lebenswert machen“, „ein Vaterland zu haben“ sehr wichtig, wichtig, unwichtig oder ganz unwichtig sei. Weiter wurde gefragt, ob die Berücksichtigung ausländischer Künstler (Fraser, Müller, Paik, Haacke) als Vertreter Österreichs/Deutschlands sehr/eher begrüßenswert oder eher/sehr problematisch sei. 30 bis 40 Prozent der Ausstellungsbesucher waren selbst Künstler, die gegenüber normalen Kunstkonsumenten als eigene Gruppe in die Analyse einbezogen wurden. Nicht zuletzt, weil man bei ihnen eine höhere Individualisierung und entsprechend geringere Identifizierung mit Kollektivwerten vermuten durfte.
Zum Zeitpunkt der Erhebung waren die befragten Besucher einerseits wohlinformiert, 72 Prozent hatten die Biennale- Berichterstattung der Medien verfolgt, andererseits war die Berichterstattung zu dieser Zeit gegenüber dem transnationalen Biennale-Projekt inzwischen durchgängig positiv gestimmt. Daher überraschte das Ergebnis. Nicht weniger als 42 Prozent des normalen österreichischen Kunstpublikums fanden die Nominierung ausländischer Künstler eher/sehr problematisch. Diesem Publikum gegenüber identifizieren sich die österreichischen Künstler tatsächlich weniger mit der Nation, etwa 2,4 mal weniger häufig.
Dieses Gefälle zwischen KünstlerInnen und Normalpublikum unterscheidet auch das deutsche gegenüber dem österreichischen Publikum. Unter den KünstlerInnen der Hamburger Befragung ist der Nationalismus stark delegitimiert (nur 7 Prozent mit Vaterlandsidentifikation), unter den KünstlerInnen der Wiener Stichprobe dagegen übertrifft er immer noch den im allgemeinen Hamburger Publikum (19 gegen 17 Prozent; das allgemeine Wiener Publikum identifiziert sich zu 41 Prozent mit der Nation).
Die vergleichsweise niedrige deutsche nationale Identifikation erklärt die Studie mit der schwachen Stellung des deutschen Zentralstaates im Bereich von Kultur und Kunst, die in der Obhut föderal regierter Länder sind. Die Untersuchung warnt daher vor einer Rekonstituierung des starken deutschen „Kulturstaates“ mit preußischem Zentrum Berlin. In Österreich dagegen war der politische Versuch, nach dem Krieg mit den Mitteln einer zentralstaatlichen Kunst- und Kulturpolitik eine eigenständige nationale Identität zu schaffen, zunehmend erfolgreich. Noch 1955 glaubten nur 49 Prozent, Österreich sei eine eigene Nation, 1993 waren es 80 Prozent.
Nach EG-Erhebungen hinsichtlich der Fremdenfeindlichkeit nahm Deutschland 1992 den zweiten Platz ein (übertroffen nur von Italien, dessen Rechtsrutsch bei den Wahlen 1994 sich damals ankündigte). Aber es ist das EG-Land, in dem Fremdenfeindlichkeit am stärksten mit Bildungskapital und der politischen Links-Rechts- Dimension variiert. Auch das erklärt, daß Fremdenfeindlichkeit im akademisch gebildeten deutschen Kunstpublikum vergleichsweise selten auftritt.
In Hinblick auf die Mediennutzung der Befragten zeigte sich die Einstellung zur Biennale unabhängig von der Lektüre verschiedener Zeitungen und Kunstzeitschriften. Die Medien lenkten zwar – entsprechend der klassischen Agenda- Setting-Hypothese – die Aufmerksamkeit auf den Biennale- Konflikt, konnten aber die Meinungsbildung nicht nachhaltig beeinflussen. Die Lektüre von Parkett, Texte zur Kunst, Artfan, Die Zeit, October, Kunstforum International, Artforum, Flash Art, Süddeutscher Zeitung, Spiegel, Kunstbulletin und Falter ließ sich nicht als eindeutiger Einflußfaktor für die positive Bewertung der Biennale-Entscheidung identifizieren, auch wenn das eine mit dem anderen einherging.
Doch Information ist zugleich Ästhetik und Methode: Die nächste Nummer wird sich mit „Arten der Berichterstattung“, wie sie in Print- und audiovisuellen Medien eingesetzt werden, auseinandersetzen. Brigitte Werneburg
„Vor der Information“. Säulengasse 7/15, 1090 Wien. Das Heft kostet 10 Mark.
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