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Der Pfad leuchtet noch schwach rot

Guerilla-Führerin in Peru verhaftet / „Leuchtender Pfad“ hat ausgedient – „Roter Pfad“ kämpft weiter / Einstige Stärke des maoistischen „Schwertes der Weltrevolution“ ist dahin  ■ Aus Lima Ulrich Goedeking

Erst am Samstag hatte die peruanische Regierung eine Belohnung von 100.000 US-Dollar für die Ergreifung von Ocar Ramirez Durand ausgesetzt, der unter dem Kampfnamen „Feliciano“ den noch aktiven Teil der peruanischen Guerilla „Leuchtender Pfad“ anführt. Und schon am Sonntag konnte die Regierung vermelden, eine Guerillera verhaftet zu haben, die ganz nahe an „Feliciano“ dran war: Elizabeth Gonzalez Otoya aus der Führungsspitze wurde nach offiziellen Angaben in Trujillo festgenommen, etwa 750 Kilometer von Lima entfernt. Dennoch: Die Inszenierung von Auslobung und promptem Erfolg hinkt: Die Festnahme fand schon am Freitag statt, ohne zunächst bekanntgegeben zu werden.

Perus Präsident Alberto Fujimori hat den Kampf gegen die Guerilla noch einmal ganz oben auf die Tagesordnung gesetzt. Dabei scheint „Sendero“ langsam ohnehin in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden.

„Der Flug nach Ayacucho ist ausgebucht“, eine häufige Auskunft in den Reisebüros Limas. Ein Satz aber, der den Angestellten jahrelang nicht ein einziges Mal über die Lippen kam. Die Universitätsstadt Ayacucho in den südlichen Anden Perus, das war die Bastion der „Kommunistischen Partei Perus“, die als „Sendero Luminoso“, als „Leuchtender Pfad“, bekannt wurde. Von hier aus nahm die maoistische Guerilla 1980 den bewaffneten Kampf gegen den Staat auf, Ayacucho blieb über Jahre hinweg Hauptschauplatz eines Krieges, der rund 30.000 Todesopfer gefordert hat.

Inzwischen kommen wieder Touristen nach Ayacucho, und auch die Flüchtlinge kehren zu Tausenden in ihre Dörfer zurück. Bis auf eine kleine, zum Kampf entschlossene Gruppe hat Sendero Luminoso – vorläufig – aufgegeben. Zudem hat Präsident Alberto Fujimori mit dem seit über zwei Jahren gültigen „Reuegesetz“ einen politischen Coup gelandet. Bis zum Stichtag am 1. November nutzten nach offiziellen Angaben etwa 6.000 Guerilleros die Gelegenheit, mit Aussicht auf geringere Strafen freiwillig ihre Waffen abzugeben. Fujimori, der im April wiedergewählt werden möchte, hat eine Erfolgsstory zu bieten: Noch vor zwei Jahren herrschte in Lima Untergangsstimmung. Heute ist von der Angst vor Sendero nichts mehr zu spüren: Trotz aller Alltagsprobleme ist eine jahrelang nicht erlebte, entspannte Normalität eingekehrt.

Sendero Luminoso schien lange unbesiegbar. Die Partei war hermetisch abgeschlossen und strikt hierarchisch organisiert, Resultat einer Ideologie, die das Volk als unmündig und die Partei als alleinige Avantgarde sah. Dementsprechend schwer war es für Geheimdienst und Polizei, Informanten einzuschleusen. Im September 92 gelang dennoch der große Schlag: Das Hauptquartier Senderos in Lima wurde ausgehoben, fast die gesamte Führungsschicht einschließlich des Sendero-Führers Abimael Guzmán verhaftet. Ein Jahr später sorgte Guzmán aus dem Gefängnis heraus für einen Paukenschlag: In Briefen an Präsident Fujimori bot er Frieden an.

Es sei noch nicht der richtige Moment für die Revolution, verkündete der „Presidente Gonzalo“, diese werde erst im Laufe des nächsten Jahrhunderts mit historischer Notwendigkeit ausbrechen. Nicht alle seine Anhänger konnten diese Wende mitvollziehen. Während sich die verhafteten Senderisten im wesentlichen Guzmán anschlossen, gründete eine Fraktion im Untergrund den „Roten Pfad“, „Sendero Rojo“. Die Guzmán-Gruppe habe die Revolution verraten, wetterte Sendero- Rojo-Chef Durand.

Seitdem gibt es vereinzelt wieder Anschläge, mal Überfälle auf Dörfer, mal Bomben auf Polizeistationen. Aber die Rot-Senderisten verfügen nicht mehr über die frühere militärische Kapazität, und sie haben keine soziale Basis mehr. In den Konfliktzonen auf dem Land haben sich die Bauern in den letzten Jahren durchweg auf die Seite der Militärs gestellt, und auch in den armen Vorstädten Limas ist mit Revolutionspropaganda kaum mehr jemand zu überzeugen.

Nur am Oberlauf des Huallaga am Ostabhang der Anden, dem wichtigsten Cocaanbaugebiet Perus, finden noch militärische Auseinandersetzungen in größerem Maßstab statt. Alles deutet darauf hin, daß seit Jahren in der Region ein strategisches Bündnis zwischen Sendero und Kokainexporteuren besteht: Sendero sorgt für ungestörten Kokainexport, die „Narcos“ liefern dafür Waffen.

Fujimori wird es schwer haben, die Guerilla restlos zu beseitigen, solange die letzten Gruppen nicht aufgeben. Carlos Iván Degregori, Anthropologe und Sendero-Spezialist, spricht von der Möglichkeit einer „chronischen Aufstandssituation“ wie in Kolumbien, wo kleine Guerillaorganisationen seit Jahren ohne Aussicht auf entscheidende Erfolge weiterleben. Aber die einstige Macht Sendero Luminosos, das „strategische Gleichgewicht“ mit dem Staat, gehört der Vergangenheit an.

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