Kleine, unverständliche Geschenke

■ Die Hamburger Künstlerin Schröder installierte Leuchttableaus an ungewöhnlichen Orten

Das Halbzeuglager der Eisenfirma Heinrich Schütt, die dreißig Meter tief in die Erde gebaute Versuchshalle des Hera-Teilchenbeschleunigers des Deutschen-Elektronen-Synchrotons (DESY), der Michel oder eine Holzgroßhandlung: an fünfzehn Orten der Stadt hat die Hamburger Künstlerin Schröder in den letzten zwei Monaten ihre metergroßen Leucht-Tableaus gezeigt. Das von der Kulturbehörde geförderte Projekt führte nicht nur Kunst an ungewohnte Plätze, es öffnete auch die Türen zu manch Wundern des Alltags.

Wie entstehen Deine Tableaus?

Die Tableaus haben etwas von einer Russischen Puppe, die sich nach und nach entblättert. Der Anfang ist eine ganz persönliche Sammlung von Dingen. Dann gibt es das eigentliche Bühnenbild. In diesem spezielle „Gästezimmer“ agieren ganz selbstverständlich Personen. Diese sind wiederum umgeben vom mitinszenierten Umfeld des Ateliers und dieses vom Bildrand mit den Arbeitsspuren des Großlabors. Dann kommt noch der Ort hinzu, an dem die Folie gezeigt wird, und jetzt habe ich noch die Fotos mit den Leuten, die sich das vor Ort ansehen.

Du versuchst also keine strenge Kategorisierung von Welt, wie manche Allegorie-Künstler in Renaissance und Barock, sondern willst Deine Arbeit eher erweiterungsfähig halten?

Von den älteren Werken schätze ich vor allem Dürers „Melancholia“. Mit ihren bis heute mindestens zwölf verschiedenen Interpretationen steht diese offene Allegorie am Beginn der Moderne. Solche Vieldeutigkeit ist bezeichnend für unsere Zeit, aber auch eine große Chance und Befreiung. Das größte Problem bei meinen Bildern ist die immer wieder gestellte, viel zu einfache Frage: „Was soll das bedeuten?“. Wenn man dann anfängt, über Details zu reden, zurückfragt, was die Betrachter selbst sehen, löst sich das Problem auf. Solche Gespräche sind ja ein ganz entscheidender Teil des Projekts. Hilfreich ist natürlich auch der direkte Bezug der Stoffe auf den Tableaus zu den speziellen Orten der Ausstellung: Öl bei DEA, Papier in der Großdruckerei Broscheck, Häute auf dem Fischmarkt, Elektronik bei DESY. Eine weitere Vermittlungsebene waren die jeweiligen Reden der Sachverständigen vor Ort vom Theologen über den Atompysiker zum Auktionator.

Die Orte sind selbst ja auch sehr aufregend.

Sicher. Nicht nur Besucher, vor allem die Beschäftigten können ihre Arbeit plötzlich anders sehen, und die Verwaltung guckt mal in die Produktionsstätten, die sie jahrelang nicht wahrgenommen hat. Es war übrigens erstaunlich wie hilfsbereit alle waren, wenn das Projekt erst einmal in einer Firma angenommen war. Anfänglich war schon eine große Reserviertheit gegenüber der Kunst zu bemerken. Es wurde mitunter politische Agitation gegen die Wirtschaft befürchtet, besonders bei Kunsststofffirmen. Diese ganzen Gespräche sind Bestandteil der Arbeit geworden.

Du hast die Präsentationsstätten „Umschlagorte“ genannt. Das bezieht sich aber nicht nur auf die Orte, die alle mit Umschlag von Waren oder Ideen zu tun haben?

Der Begriff ist so schön doppeldeutig. Was schlägt wohin um? Kunst an einen ihr nicht geweihten Ort: was ist da Kunst und was ist Wirklichkeit?

Was sind denn die überraschendsten Ergebnisse aus diesem Projekt?

Meine Leuchttableaus kamen wie ein kleines, etwas unverständliches Geschenk in die Firmen und bewirkten zahlreiche Gespräche. Ich meine, manchen Blick etwas erweitert zu haben. Erstaunlich aber die Unfähigkeit der professionellen Vermittler: die Fremdenführer im Michel reagierten geradezu aggressiv auf die Intervention in der Sehenswürdigkeit.

Wie geht es weiter?

Ich würde es im Sinne des Modells der „Russischen Puppe“ begrüßen, die Fotos der Installationen wieder an den Interventionsorten zu zeigen. Dann planen wir eine „Konferenz über Stoffe“ und neue Tableaus mit Koffern und zu Baustoffen sind in Arbeit.

Fragen: Hajo Schiff