: Bosnien: Butros Ghali will vermitteln
Treffen mit Izetbegović und Karadžić geplant / UN-Zentrale weist Vorwurf des „Versagens“ zurück / Kontaktgruppe plant weitere Konzessionen an die bosnischen Serben ■ Aus New York Andreas Zumach
Angesichts der dramatischen Lage in der westbosnishen UN- Schutzzone Bihać will UNO-Generalsekretär Butros Ghali heute nach Sarajevo reisen. Nach Angaben seines Sprechers Sills will Ghali sich dort in Gesprächen Bosniens Präsident Alija Izetbegović und dem selbsternannten „Präsidenten“ der bosnischen Serben, Radovan Karadžić, um die umgehende Einstellung aller Kämpfe in der ex-jugoslawischen Republik bemühen.
Für Karadžić bedeutet diese erste Begegnung mit dem UNO-Generalsekretär eine erhebliche Aufwertung – zumal Sills sogar nicht ausschließen wollte, daß sich Butros Ghali eigens in dessen Hauptquartier im Luftkurort Pale nahe der bosnischen Hauptstadt begibt. Erwogen werde aber auch ein gemeinsames Treffen mit Izetbegović und Karadžić in Sarajevo selbst. Der UNO-Generalsekretär, der sich zur Zeit im Nahen Osten aufhält, hatte die belagerte Stadt zuletzt zum Jahreswechsel 1992/93 besucht.
Butros Ghalis für Peace-keeping-Operationen zuständiger Unter-Generalsekretär Kofi Annan wies unterdessen die jüngsten Vorwürfe, „die UNO“ habe „in Bosnien versagt“, als „unakzeptabel“ zurück. „Wer ist die UNO? Wer sind diejenigen, die das Mandat für die UNO-Truppen in Bosnien festgelegt haben?“ fragte Annan am Montag bezüglich der Kritik von Politikern und Medien in den USA und in Westeuropa und wies darauf hin, das die UN-Mandate im ehemaligen Jugoslawien weder von Yasushi Akashi, dem Zivilchef der UN-Schutztruppen, noch von dem für Bosnien zuständigen UN- General Michael Rose formuliert worden seien.
Mit deutlichem Bezug auf die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates erklärte Annan weiter, die UNO werde „ausgerechnet von denjenigen zum Sündenbock gemacht, die innerhalb dieser Organisation die Entscheidungen treffen“. Das Mandat der UN- Schutztruppen, das von vielen Kritikern als „schwach, irrelevant und inkompetent“ bezeichnet werde, sei im Sicherheitsrat beschlossen worden und könne auch nur vom Rat verändert oder erweitert werden. Das aber setze entsprechende Entscheidungen in den Hauptstädten der Mitgliedsländer voraus. Am Montag hatte der Sicherheitsrat erneut hinter verschlossenen Türen über die Lage in Bihać beraten, ohne jedoch neue Entscheidungen zu treffen.
Offenbar sind nach den jüngsten Entwicklungen in Bosnien nun auch die USA zu weiteren Zugeständnissen an die bosnischen Serben bereit. Im Rahmen des für Freitag geplanten Treffens der Kontaktgruppe in Brüssel wird Außenminister Christopher nach Angaben von US-Diplomaten die endgültige Zustimmung Washingtons zu einer Veränderung des bisherigen Teilungsplans geben, auf die Frankreich, Rußland und Großbritannien bereits seit Anfang Oktober drängen. Danach sollen die bosnischen Serben eine Konföderation mit Serbien eingehen können.
Nach den sehr weitgehenden Vorstellungen Rußlands würde diese Konföderation das Ende des Staates Bosnien-Herzegowina in seinen derzeitigen, international anerkannten Grenzen besiegeln. Die USA und auch Deutschland wollen allerdings darauf dringen, daß die Identität dieses Staates zumindest auf dem Papier erhalten bleibt.
Die Kontaktgruppe will zudem eine Aufhebung der Sanktionen gegen das aus Serbien und Montenegro bestehende Restjugoslawien nicht mehr länger von der Unterzeichnung des Bosnien-Teilungsplans durch die Serben und den Rückzug ihrer Truppen in die ihnen zugedachten 49 Prozent des Staatsgebiets abhängig machen. Vorbedingung für die Aufhebung der Sanktionen soll nur noch die Anerkennung Kroatiens und Bosnien-Herzegowinas durch Belgrad sein. Die Kontaktgruppe hofft, den serbischen Präsidenten Slobodan Milošević auf diese Weise zu mehr Druck auf die bosnischen Serben bewegen zu können.
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