Mit der Kälte steigen die Steuern

■ „Budget Day“ im britischen Unterhaus / Schulden sinken

London (taz) – Nur keine Aufregung, der Haushaltsplan, den Schatzkanzler Kenneth Clarke vorgelegt hat, beruhigt die Nerven der Tory-Hinterbänkler. Clarke stellt ihnen Steuersenkungen in den nächsten beiden Jahren in Aussicht – rechtzeitig vor den Parlamentswahlen. Den Weg dafür will der Schatzkanzler durch drastische Senkungen der Staatsausgaben ebnen. In den kommenden drei Jahren sollen 28 Milliarden Pfund eingespart werden – vor allem beim Wohngeld und bei den Steuerermäßigungen auf Hypotheken. Die Netto-Neuverschuldung wird im nächsten Jahr 21,5 Milliarden Pfund betragen.

Vor einem Jahr hatte man noch mit 30 Milliarden gerechnet. Inzwischen hofft die Regierung, im Steuerjahr 1998/99 zum ersten Mal eine Milliarde mehr einzunehmen, als sie ausgibt. Im Jahr darauf sollen es neun Milliarden werden. Clarkes Rechnung basiert auf der unerwartet günstigen Wirtschaftsentwicklung mit einem Wachstum von vier Prozent in diesem Jahr sowie der konstant niedrigen Inflationsrate von zwei Prozent. Für das nächste Jahr sagt Clarke ein Wachstum von 3,25 Prozent voraus.

Der „Budget Day“ ist traditionell einer der Höhepunkte im parlamentarischen Kalender. Die Sitze im Unterhaus sind knapp, so daß die Tory-Veteranin Elaine Kellett-Bowman dort im Schlafsack übernachtete, um sich den besten Platz zu sichern. Der mit zerschlissenem rotem Leder überzogene Holzkoffer, der die Rede des Schatzkanzlers enthält und meistfotografiertes Objekt am „Budget Day“ ist, wurde vor 130 Jahren für William Gladstone angefertigt.

Diesmal enthielt der Koffer einige Maßnahmen in puncto Arbeitsplatzbeschaffung, die Clarke zum Teil von der Labour Party borgte. Sein Paket, das unter anderem die Stornierung von Sozialabgaben für Arbeitgeber vorsieht, die Langzeitarbeitslose einstellen, soll mit 680 Millionen Pfund finanziert werden. Dadurch werden, so glaubt Clarke, mindestens 100.000 Arbeitslose einen Job finden – also etwa vier Prozent. Zwar ist die Zahl der Arbeitslosen stetig auf derzeit 2,5 Millionen gesunken, doch bei den Ungelernten ist sie nach wie vor sehr hoch.

Bei der Mehrwertsteuer auf Heizmaterial, die in der nächsten Woche eine Revolte auf den Hinterbänken auszulösen droht, blieb Clarke hart. Er will lediglich einen bescheidenen Kaltwetterzuschlag und Rentenausgleich zahlen sowie zehn Millionen Pfund an Subventionen für die Verbesserung von Isolierungen bereitstellen. Labour-Chef Tony Blair sagte höhnisch, der Haushaltsplan werde als „Heizstoff-Mehrwertsteuer-Budget“ in die Geschichte eingehen.

Der Schatzkanzler will im nächsten Jahr die zuverlässigsten Einnahmequellen verstärkt anzapfen: Benzin soll um 2,5 Pence pro Liter teurer werden, die Zigaretten um 10Pence. Nur die Alkoholsteuer läßt Blair unverändert, weil er die BritInnen nicht den französischen GetränkehändlerInnen auf der anderen Seite des – nun untertunnelten – Kanals in die Arme treiben will.

Wirtschaftsexperten reagierten mit wenig Begeisterung auf das Budget. Es werde die Zinsrate frühzeitig hochtreiben, glaubt Jeremy Hawkins von der Bank America und sagt eine Anhebung um ein halbes Prozent auf 6,25 Prozent im Januar voraus. Manche Analysten meinen, daß die zyklische Wirtschafterholung ihren Höhepunkt überschritten habe. Sie warnen, daß höhere Zinsen zur Eindämmung der Inflation das Bruttosozialprodukt schrumpfen lassen und die Wirtschaft in eine deflationäre Rezession treiben werden. Ralf Sotscheck