: BND-Chef Porzner vor dem Abgang
■ Verhältnis zu Kohls Geheimdienstkoordinator Schmidbauer offenbar gestört / Entlassung oder "freiwilliger" Rücktritt? / Verfassungsschutzpräsident Werthebach als Nachfolger im Gespräch
Bonn (dpa) – Der Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), Konrad Porzner, wird aller Voraussicht nach in Kürze abgelöst. Sein Nachfolger soll nach Informationen aus Bonner Regierungskreisen der jetzige Verfassungsschutzpräsident Eckart Werthebach werden. Wie aus zuverlässiger Quelle zu erfahren war, wird Bundeskanzler Helmut Kohl an diesem Freitag Porzner empfangen, um ihm die Entscheidung über seine Ablösung mitzuteilen. Als Grund wird das „völlig zerrüttete Verhältnis“ zwischen Porzner und dem für die Nachrichtendienste zuständigen Koordinator im Bundeskanzleramt, Bernd Schmidbauer (CDU), angegeben. Das Kanzleramt lehnte es gestern ab, zu den Gerüchten um Porzners bevorstehenden Abgang Stellung zu nehmen.
Der 59jährige Porzner stand seit Oktober 1990 an der Spitze des für die Auslandsaufklärung zuständigen BND. Kohl hatte sich seinerzeit persönlich für die Berufung des SPD-Politikers ausgesprochen, obwohl Porzner keinerlei Erfahrungen auf dem Gebiet der Geheimdienste hatte. Die Arbeit von Porzner wurde seit einiger Zeit von den zuständigen Stellen als „ungenügend“ kritisiert. Er begreife „einfach nicht die Sachverhalte eines Dienstes“, erläuterte ein Bonner Sicherheitsexperte. Im BND wurde besonders die „oberlehrerhafte Art“ des Präsidenten im Umgang mit seinen Mitarbeitern kritisiert. Wie verlautete, sind die Ergebnisse der Auslandsaufklärung im Kanzleramt „zunehmend als zu mager“ empfunden worden.
Die Abberufung von Porzner soll „in ordentlicher Weise“ über die Bühne gehen. Es steht nach den vorliegenden Informationen noch nicht fest, ob Porzner sofort seinen Hut nehmen muß oder ob ihm die Möglichkeit gegeben wird, aus Gesundheitsgründen an seinem 60. Geburtstag im Februar nächsten Jahres in den Ruhestand zu gehen.
Der als Porzner-Nachfolger gehandelte Eckart Werthebach ist seit Februar 1991 Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Wenn er zum BND nach Pullach bei München überwechselt, soll der jetzige Vizepräsident der Kölner Behörde, Peter Frisch (SPD), die Leitung des Verfassungsschutzes übernehmen, hieß es.
Nach Zeitungsberichten soll seine Stellvertreterin die Präsidentin des sächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz, die parteilose Mathilde Koller, werden. Werthebach gilt als „ausgewiesener Sicherheitsfachmann“. „Seine Arbeit wird in Bonn sehr geschätzt“, verlautet aus dem Kanzleramt.
Als langjähriger Mitarbeiter des Bundesinnenministeriums kenne Werthebach auch die „Untiefen der Bonner Politik“. Bevor Werthebach an der Auflösung der Stasi in Ostberlin zur Zeit der Regierung de Maizière beteiligt war, profilierte er sich bei Spionageabwehr und Terrorbekämpfung. Er ist seit Gründung des Verfassungsschutzes im Jahr 1950 der neunte Präsident der Behörde. Beim Bundesnachrichtendienst würde Werthebach nach Gehlen, Wessel, Kinkel, Blum, Hellenbroich, Wieck und Porzner der achte Präsident.
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