: Pfiffe für Butros Ghali in Sarajevo
■ Generalsekretär droht mit Abbruch der UN-Mission / Gespräch mit Serbenführer Karadžić abgesagt / USA für neue internationale Bosnien-Konferenz
Sarajevo/Berlin (AP/AFP/dpa/ taz) – Bei ihrem Besuch in Sarajevo sind UN-Generalsekretär Butros Ghali und sein Sondergesandter Yasushi Akashi gestern mit Pfiffen empfangen worden. Etwa 1.000 bis 2.000 Demonstranten empfingen die Besucher beim Verlassen des Präsidenten-Gebäudes lautstark und mit Transparenten. Sie skandierten Losungen, die sich gegen die UN-Politik in Bosnien richteten, und folgten dem Konvoi des Generalsekretärs.
Butros Ghali drohte während seines eintägigen Besuchs in der bosnischen Hauptstadt mit dem Abbruch der UN-Friedensmission, wenn die Kämpfe um die Schutzzone Bihać nicht beendet und die volle Bewegungsfreiheit der von den Serben als Geiseln genommenen Blauhelme nicht wiederhergestellt werde. UN-Sprecher Thant Myint-U teilte in Sarajevo mit, wenn diese Mindestbedingungen von den Kriegsparteien nicht in einer oder zwei Wochen erfüllt seien, könnte Ghali diesen Schritt wählen.
Ghalis Äußerung macht deutlich, daß die UN mit der ersten Reise ihres Generalsekretärs in die belagerte Stadt gleichzeitig ihre letzte Friedensinitiative für Bosnien starten. Dazu sollen Konzessionen an die bosnischen Serben gemacht werden, die den internationalen Friedensplan als einzige nicht angenommen haben.
Dies stand auch im Mittelpunkt der Gespräche Ghalis mit dem bosnischen Präsidenten Alija Izetbegović. Ghali nannte die Gespräche „positiv“. Izetbegović unterstrich dagegen, daß der von ihm unterzeichnete Friedensplan seine Gültigkeit behalte. Die Serben seien die Aggressoren, und daher hätten die UN kein Recht, neutral zu bleiben.
Ursprünglich hatte sich Ghali auch mit Radovan Karadžić treffen wollen, was einer politischen Aufwertung des bosnischen Serbenführers gleichgekommen wäre. Die Begegnung wurde jedoch gestern nachmittag abgesagt, da sich beide Seiten nicht auf einen Ort einigen konnten.
Äußerst verärgert reagierte der bosnische UN-Botschafter Muhamed Sacirbey auf die neue Nachgiebigkeit des Westens gegenüber den Serben, besonders auf den US- Vorschlag einer neuen internationalen Bosnien-Konferenz. Er forderte Auskunft über den Sinn neuer Friedenspläne, wenn die Serben noch nicht einmal den alten angenommen hätten. Die Bevölkerung von Bihać sei der lebendige Beweis für das Ergebnis einer Politik der Nachgiebigkeit gegenüber den Serben.
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