: Ruf doch mal an, lausch doch mal mit
■ Ab heute hört der BND legal mit / Telefongespräche ins Ausland betroffen
Berlin (taz) – Ab heute darf sich der Bundesnachrichtendienst (BND) ungehindert und legal in alle Auslandsgespräche einschalten, sie aufzeichnen und gewonnene Hinweise auf Drogen-, Waffen-, Kriegswaffen- und Geldfälschungsgeschäfte sowie Terrorismus an Polizei und Justiz weiterleiten. Gesetzliche Grundlage dazu ist das „Verbrechensbekämpfungsgesetz“.
Mit seinen Empfangsanlagen der „Technischen Aufklärung“ ist der BND in der Lage, jeglichen Fernmeldeverkehr über Kurzwelle, Richtfunk und Satellit zu empfangen. Die Gespräche werden durch einen Computer geschleust, der sie auf bestimmte Begriffe wie etwa Drogen, Waffen, Geld hin „durchleuchtet“. Sobald eines der Suchwörter im Gespräch fällt, springt die Aufzeichnungsmaschine an. „Aus der Masse der Informationen filtern wir das heraus, was für uns von Interesse ist und im Auftrag des Dienstes liegt“, meinte Gerhard Güllich, zuständiger Konteradmiral des BND zu der Lauscherei. Anders als alle anderen Telefonüberwachungen ist die BND-Fernmeldeaufklärung nicht verdachtsbezogen. Es werden nicht etwa zielgerichtet Straftäter oder Verdächtige überwacht. Jeder, der ein Auslandsgespräch führt, gerät in die Abhörnetze. Bei täglich rund 4.000 Gesprächen werden jährlich mehr als 1,5 Millionen Telefonate ausgewertet. Kontrolliert wird der BND nicht. Im Gegensatz zu den Gepflogenheiten in den USA ist er nicht dem Bundestag gegenüber rechenschaftspflichtig. „Eine Ermittlung ohne Verdacht ist das Kennzeichen der Geheimen Staatspolizei“, protestiert Till Müller-Heidelberg im Namen der Humanistischen Union. Kritik an den Praktiken, die Geheimdienstprofi Güllich „Staubsauger im Äther“ nennt, kommt auch vom Bundesbeauftragten für Datenschutz. Dort bemängelt man vor allem die fehlenden Kontrollmöglichkeiten der Behörde. „Mindestens 99,9 Prozent aller Abgehörten sind nicht beschuldbar“, so Pressesprecherin Helga Schumacher. Als vollends gläserne Personen stehen JournalistInnen da, die beruflich telefonisch abhörrelevante Themen recherchieren. „Der BND erlangt auf diese Weise Einblick in redaktionsinterne Angelegenheiten“, konstatiert die Humanistische Union.
Ob sich der Computer mittels Dialekt überlisten läßt oder ob es ratsamer ist, Telefonate in chinesisch zu führen, konnte nicht in Erfahrung gebracht werden. Theoretisch lassen sich die „Wortbanksysteme“ mit allem speichern. So ist es auch möglich, sie mit Stimmprofilen zu füttern. Der Computer kann dann alle Gespräche herausfiltern, deren Teilnehmer etwa schwäbisch schwätzen. Gegen die problematischen Lauschaktionen wollen heute einige Juraprofessoren Verfassungsklage einreichen. Annette Rogalla
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