■ Radovan Karadžić führt die Politik der UN in Bosnien vor: Der Mohr kann gehen
Butros Butros Ghali hatte den bosnischen Kriegsparteien eine einfache Botschaft überbringen wollen: Die Verantwortlichen auf beiden Seiten müßten Bereitschaft zu ehrlichen Verhandlungen zeigen und die Bemühungen der UNO zur Beendigung des Krieges unterstützen. Doch statt wie bisher immerhin Lippenbekenntnisse einheimsen und diese dann der internationalen Öffentlichkeit als Erfolg vorstellen zu können, mußte der UN-Generalsekretär das seit 34 Monaten belagerte Sarajevo diesmal wie ein begossener Pudel verlassen.
Dabei markieren keineswegs die Wut der in der bosnischen Hauptstadt eingesperrten Menschen oder die bitteren Vorwürfe Präsident Alija Izetbegovićs an die Adresse der UNO die Niederlage des obersten Diplomaten der Welt. Vielmehr hat der bosnische Serbenführer Karadžić mit seiner Weigerung, Ghali am unter UN-Verwaltung stehenden Flughafen zu treffen, gezeigt, welche Bedeutung er den Vereinten Nationen nach 32 Monaten des Krieges um die exjugoslawische Republik noch zugesteht. Die Weigerung des Generalsekretärs, den Serbenfürsten auf dessen Territorium zu treffen, erklärt die serbische Haltung nur unzureichend. Sicher, Karadžić strebt nach wie vor die Anerkennung seiner Eroberungen an. Doch gleichzeitig weiß der Serbenführer, daß die UN zumindest zur Zeit die serbisch besetzten Teile Bosniens nicht als eigenen Staat behandeln können.
Tatsächlich war Butros Ghali dem selbsternannten „Präsidenten“ somit mit seinem ausdrücklichen Wunsch nach einem Treffen schon sehr weit entgegengekommen. Daß Karadžić das Gespräch trotzdem verweigerte, beweist in aller Deutlichkeit, wie wenig ihn die „einfache Botschaft“ Ghalis interessiert. Konkret: Die bosnischen Serben wollen keinen Frieden, zumindest keinen, der ihre Eroberungen nicht anerkennt. Daß sich der UN-Chef trotzdem nicht von seinem Vorhaben abbringen ließ, zeigt, daß Ghali bisher nicht verstanden hat, welchen Stellenwert die serbische Seite seiner Organisation zubilligt.
Die Botschaft Karadžićs an die UN könnte deutlicher kaum sein: Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen. Tatsächlich braucht Karadžić die UNO längst nicht mehr: Daß sie ihre Eroberungen mittlerweile anders als in der kroatischen Krajina oder in den ostbosnischen muslimischen Enklaven bequem ohne die (unfreiwillige) Hilfe der UN- Blauhelme absichern können, beweisen die serbischen Truppen zur Zeit in Bihać vor aller Augen. Die bosnischen Serben können sich sogar leisten, Blauhelme als Geiseln für den unwahrscheinlichen Fall künftiger Luftangriffe der Nato zu nehmen. Worüber hätte Karadžić angesichts all dessen mit Butros Ghali verhandeln sollen? Rüdiger Rossig
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen