: Musikhalle: NDR-Sinfoniker
■ Kraftvolles Konzert, pädagogisches Oratorium, kleines Wunder / Drei musikalische Ereignisse des Wochenendes
Bei manchen Dirigenten macht schon das Zuschauen Spaß, wenn einer gekonnt Höhen und Tiefen, Himmel und Hölle voneinander scheidet. Vor allem bei dem Koreaner Myung-Whun Chung, der nach seinem Eklat an der Pariser Opéra Bastille jetzt als Gastdirigent umherreist. Mit souveräner Geste schmeißt er ein altes Thema weg, mit aufrechtem Rücken lockt er die Stimmen ins Zentrum – und dirigiert alles auswendig, sogar die üppige Sinfonie Nr. 7 op. 70 von Antonin Dvorák.
Die NDR-Sinfoniker eröffneten unter ihm den Sonntagmorgen mit einem frühen Orchesterwerk des spirituell geprägten Olivier Messiaen: Les offrandes oubliées. Ein leises Stück, ein Klangteppich aus Terz- und Quartschichtungen, Stimmen, die langsam zueinander schweben und sich entfernen. Chung verengte die Stimmen in Pausen hinein und führte sie sanft wieder aus der Stille heraus. Allerdings: Es wäre interessant gewesen, die ungewöhnlichen Intervalle der Messiaenschen Kompositionstechnik stärker hervorzuheben. Chung setzte statt dessen die Geigen über einen Klangteppich der Bratschen – das wirkte wie zwei Personen, die nebeneinander stehen und sich nicht sehen.
Mozarts Konzert A-dur für Violine und Orchester KV 219 verlief im Allegro noch trottelnd-brav, im Adagio dann aufgescheucht durch die (selbstgeschriebenen) Kadenzen von Roland Greutter. Und dann kam's doch noch: Dvorák, so stellte sich heraus, ist genau die richtige Kost für den kraftvollen Dirigenten. Die vom Komponisten eingebauten Volksmusikweisen forderte Chung so zackig heraus, daß die Zeit nicht reichte, um kitschig zu spielen. Leider nahm er sich auch kaum Zeit, um die Übergänge logisch zu gestalten. Er eilte mit seinem Gefolge (Großes Orchester!) von einem Schmaus zum nächsten wie ein ungeduldiger Liebhaber, der nur ein Ziel hat. Aber Dvorák als Quickie: Das hat was.
Gabriele Wittmann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen