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Metropolitaner ohne BISS

■ Selbsternannte "Berlin-Initiative" und die Bürgerinitiative Stadtring-Süd stritten auf dem Emmaus-Friedhof in Neukölln zwischen Realsatire und Fake über die Verlängerung des Autobahnrings

Rot-weiße Absperrbänder wehen im kalten Winterwind. Auf der Wiese liegt eine fünfzig Meter lange schwarze Plane mit weißen Markierungen. Mit dieser symbolischen Autobahn auf dem Neuköllner Emmaus-Friedhof sollte am Samstag vormittag gezeigt werden, wie es dort in einigen Jahren aussehen könnte, wenn die geplante Autobahn durch Neukölln gebaut wird. Derzeit läuft das Planfeststellungsverfahren für die Verlängerung der Bundesautobahn A 100 über das Autobahndreieck Tempelhof hinaus bis zur Anschlußstelle Ballinstraße.

Aufgerufen hatten aber nicht etwa Gegner des Innenstadtrings. Im Gegenteil. Eine selbsternannte „Metropoleninitiative“ hatte den etwa fünfzig Meter langen Plastikautobahnabschnitt verlegt, um zu zeigen, „wie problemlos und einfach die Verlängerung der Autobahn sein könnte“. Die Handvoll Metropolitaner, die Berlin vor einem „Ersticken in der Provinzialität“ bewahren will, sieht ihre Gegner in der „Langsamkeit der Behörden“ in Sachen Verkehr und in dem „völlig unangemessenen Einfluß kleiner rückwärts gewandter oder kommunistisch beeinflußter Gruppen“, die die Fortführung der A 100 bisher verhindert haben.

Eine dieser Gruppen ließ es sich dann auch nicht nehmen, zu dem Lokaltermin zu erscheinen. Die Bürgerinitiative Stadtring-Süd (BISS), die seit fast zwanzig Jahren gegen die Verlängerung der Stadtautobahn kämpft, war mit etwa dreißig Vertretern zu der Friedhofsaktion der „Bürger für neue Straßen“ gekommen. Einige von ihnen standen mit einem großen Plakat „Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten“ hinter den rot-weißen Absperrungen. Andere brachten die sich „engagierte Bürger Berlins“ nennenden Metropolitaner in Argumentationsnot.

Wäre der hintere Teil des Friedhofs, auf dem die erbitterten Gegner miteinander stritten, nicht schon stillgelegt, die Toten hätten sich vor Lachen im Grabe umgedreht, als die Metropolitaner ihre Gründe für den schnellen Ausbau der Stadtautobahn aufführten: um möglichst schnell zum Golfplatz im Umland zu kommen, um dem unangenehmen Anhusten in der vollen U-Bahn zu entgehen, um Arbeitsplätze in der Auto-Zulieferindustrie zu erhalten.

Die Metropolitaner fuhren nicht nur mit dem Auto, sondern auch mit der Überzeugung nach Hause, daß sie ohne die Unterbrechung der Autobahngegner ihre Argumente besser hätten vorbringen können. Auch wenn die BISS- Vertreter die Metropolitaner nicht ganz ernst nahmen, wollten sie nicht an einen Fake glauben. „Es gibt so Betonköpfe, die vorgeschickt werden“, sind sie überzeugt. Barbara Bollwahn

Noch bis zum 29. Dezember können Einsprüche gegen den Stadtautobahnring erhoben werden. Vordrucke sind bei BISS erhältlich. Tel.: 626 14 47

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