: Grüne hartnäckig kompromißbereit
■ Auf ihrem Potsdamer Parteitag zeigten die Bündnisgrünen, wie virtuos sie die Kunst verstehen, sich miteinander zu versöhnen / Nur der sächsische Abgeordnete Werner Schulz legte Widerspruch ein
Potsdam (taz) – Mit Krista Sager und Jürgen Trittin haben sich die Bündnisgrünen auf ihrem Parteitag am Wochenende in Potsdam-Babelsberg ein neues Führungsduo gewählt. Während sich Krista Sager mit zehn Stimmen Vorsprung gegen ihre Ost-Konkurrentin Christiane Ziller durchsetzen konnte, wurde der niedersächsische Ex-Minister Jürgen Trittin ohne GegenkandidatIn gewählt. Mit der Reala Sager und dem Parteilinken Trittin besetzten die Grünen ihre Spitzenpositionen erneut strömungspolitisch ausgewogen. Anders als im letzten Sprecherduo wurde jedoch der Osten diesmal nicht berücksichtigt. Ein anderslautender Antrag wurde vom Parteitag abgelehnt.
Ein von den Ost-Landesverbänden geforderter schneller Umzug der Parteizentrale von Bornheim-Roisdorf nach Berlin wurde von den Delegierten nicht beschlossen. Statt dessen einigte man sich in Potsdam auf einen Kompromiß: Spätestens zum nächsten Bundestagswahlkampf 1998 soll der Umzug beendet sein.
Heide Rühle als Bundesgeschäftsführerin und Henry Selzer als Schatzmeister wurden vom Parteitag in ihren Funktionen bestätigt. Als Beisitzer im Bundesvorstand wurden die gegen Krista Sager knapp unterlegene Christiane Ziller sowie Regine Barth, Rita Sélitrenny, Karsten Speck und Kambiz Behbahani gewählt. Neu eingerichtet wurde der Posten eines beratenden Mitglieds beim Parteivorstand, der vom Grün-Alternativen Jugendverband besetzt wird.
Trittin und Sager, aber auch Joschka Fischer und der scheidende Vorstandssprecher Ludger Volmer lehnten auf dem Parteitag jegliche Zusammenarbeit mit der Union auf Bundesebene ab. Fischer nannte die Diskussion darum „eine Gespensterdebatte“. Das Beste wäre, so meinte der Sprecher der bündnisgrünen Bundestagsfraktion, sie sofort abzubrechen.
Mit dem Ergebnis der Sprecherwahl zeigten sich Vertreter aller Lager sowie auch die Delegierten aus den neuen Ländern zufrieden. Dagegen zog das Ergebnis der Wahl der BeisitzerInnen im Bundesvorstand am Sonntag Kritik auf sich. Der sächsische Bundestagsabgeordnete Werner Schulz, selbst kein Delegierter, monierte, nur pro forma sei die Ostquote erfüllt worden. In das Gremium sei kein „authentischer Vertreter der DDR-Opposition“ gewählt worden. Er habe den Eindruck, daß das „Bündnis 90 auf Kosten der Befriedung der beiden politischen Lager abgewickelt worden ist“.
In einer Resolution zum Krieg in Bosnien forderte der Parteitag nach heftiger Debatte die Bundesregierung auf, Bundeswehreinsätze im ehemaligen Jugoslawien abzulehnen und keine Kampfflugzeuge in das Kriegsgebiet zu entsenden. Angesichts der ausweglosen Situation in Bosnien sprachen sich die Delegierten jedoch für einen verstärkten Einsatz von Blauhelmverbänden aus, ein Instrument, das im bündnisgrünen Programm bislang nicht vorgesehen ist. eis/mon Seite 3
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