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Press-SchlagEthisch unglaublich

■ Mit einem tragischen 2:3 in Schalke endete Bochums tragische Halbserie

Da war die Stunde gekommen, wo sich die Spieler, der Trainer, der Vorstand und die Anhänger des VfL Bochum mit dem großen Fußball-Philosophen Jürgen Wegmann hätten zusammensetzen können. Denn dessen Verdikt, daß man erst kein Glück hat und dann auch noch Pech dazukommt, haben sie nämlich in dieser Saison noch einiges hinzuzufügen. Vom Schicksal, das einem übel mitspielt, wäre dabei die Rede und auch davon, wie es ist, wenn sich alles gegen einen verschworen hat.

Von den Schrecknissen einer beängstigenden Verletzungsserie, die Spieler wie Rob Reekers, Eric Wynalda oder Holger Aden auf die Operationstische zwang und fast in jeder Woche ein halbes Dutzend Kicker fehlen ließ. Es wäre zu bejammern das Verhängnis, mit guter Leistung guten Gegnern zu unterliegen und mit schlechter den schlechten. Das Unheil naiver Abwehrarbeit und elendiger Chancenverwertung wäre hinzuzufügen, wie auch die besondere Form der Heimsuchung, die nur schlechte Schiedsrichter darzustellen vermögen. So war es jedenfalls im letzten Bochumer Spiel jener Halbserie, die unter einem Unstern gestanden hat, wie er unheilbringender nicht sein kann.

Dabei hatte der VfL Bochum nach der Verpflichtung von Klaus Toppmöller als Trainer zuletzt fast im Wochentakt seine Mannschaft verstärkt, den ausgezeichneten polnischen Nationallibero Tomasz Waldoch aus Katowice verpflichtet, für viel Geld den routinierten Torjäger Roland Wohlfarth aus St. Etienne und in den letzten Tagen noch den polnischen Jungstürmer Henryk Balusszynski. Da hatte der Trainer seine Spieler millimetergenau fürs Lokalderby in Schalke eingestellt und nach eigenen Worten „richtig heiß gemacht“. Da spielten sie deshalb auch Chance auf Chance heraus, waren ihrem Gegner fast während des ganzen Spiels überlegen, ja führten ihn streckenweise so vor, wie es deren Trainer Jörg Berger „hier eigentlich noch nicht erlebt hatte“.

Und doch lagen sie zunächst 0:2 hinten. Weil der Schiedsrichter Albrecht den Gastgebern unberechtigt einen Elfmeter schenkte und beim zweiten Tor ein Bochumer dem Schalker Latal den Ball vorlegte. Aber sogar gegen dieses Malheur lehnten sie sich noch auf, schafften innerhalb von fünf Minuten durch Balusszynski den Ausgleich – wildfremde Menschen lagen sich in den Armen, welche Freude!

Weil hier aber von Elend und Mißgeschick und nicht von der Freude und dem guten Gelingen die Rede ist, fühlte sich Schiedsrichter Albrecht ein zweites Mal aufgefordert, Bochums Unglücksserie nicht abreißen zu lassen und stellte Waldoch vom Platz, nachdem der Schalker Dikthiar im Flug, den so nur die Schwalben kennen, über dessen Bein abgehoben war. Nichts konnte es so werden mit dem erträumten Sieg, dem Luftholen im Abstiegskampf. Und gar noch schlimmer: Drei Minuten vor Schluß köpfte der eingewechselte Hendrik Herzog ins Bochumer Tor.

Als die Pleite besiegelt war, redete Schalkes Coach Jörg Berger vom „Weihnachtsmann, der schon am zweiten Advent gekommen ist“, und Bochum weinte bitterliche Tränen. Trainer Toppmöller sah so aus, als ob, hätte er nur das Naturell eines Oliver Kahn, bereits zehn Kabinentüren eingetreten wären und eröffnete auch ohne Jürgen Wegmann Bochums philosophisches Kolloquium: „Wenn man was von Ethik hält, dann ist das unglaublich, was der Schiedsrichter heute gepfiffen hat.“ Ethik hin, Pech her, so steigt man ab! Und das würde für den VfL Bochum kein Malheur bedeuten, sondern das Ende. Christoph Biermann

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