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Russische Abgeordnete als Geiseln?

■ Reformer wollen Intervention in Grosny verhindern

Grosny (AP/taz) – Mehrere reformorientierte russische Parlamentsabgeordnete haben sich dem tschetschenischen Präsidenten Dschochar Dudajew als Geiseln angeboten. Auf diese Weise, so der bekannte Reformökonom Grigori Jawlinski, wolle man die in der Kaukasusrepublik festgehaltenen russischen Soldaten freibekommen und damit eine militärische Intervention Rußlands verhindern. Einer der Soldaten, die bei einer Offensive der Dudajew-Gegner festgenommen worden waren, erlag gestern seinen Verletzungen.

Zugleich kritisierte der bekannte Ökonom Jawlinski die russische Regierung scharf. Sie habe in dem Konflikt mit Tschetschenien versagt und geradezu kriminell gehandelt. Einen Tag zuvor hatte Rußlands Verteidigungsminister Pawel Gratschow eingestanden, daß russische Kampfflugzeuge in der vergangenen Woche Luftangriffe auf tschetschenische Flughäfen geflogen hatten.

Unterdessen wird der Aufmarsch des russischen Militärs an der Grenze zu Tschetschenien fortgesetzt. Nach Angaben aus Grosny wurden 100 weitere Panzer nach Wladikawkas gebracht. Moskau teilte mit, Teile der Armee, Soldaten des Innenministeriums sowie Sondereinheiten in Bereitschaft versetzen zu wollen. Ein russischer Offizier an einem Grenzübergang nach Tschetschenien sagte, er habe Befehl, niemanden mehr aus der Republik ausreisen zu lassen.

Während dies im Westen als Zeichen für eine anstehende Militärintervention gewertet wurde, sagte der Vorsitzende des Russischen Föderationsrates, Wladimir Schumeiko, es handle sich um einen Versuch, die abtrünnige Republik „völlig zu isolieren“. Die Grenze werde dicht gemacht, um zu verhindern, daß Waffen und Freiwillige nach Tschetschenien gebracht werden. Schumeiko zeigte sich bereit, über den Status und die Kompetenzen Grosnys zu verhandeln. Voraussetzung sei jedoch, daß die Republik Teil der Russischen Föderation bleibe.

Dennoch gab es gestern auch Anzeichen dafür, daß ein Krieg im Nordkaukasus doch noch verhindert werden kann. Nach Angaben Moskaus will die Dudajew-Opposition die Kämpfe beenden. Bei einem Treffen des prorussischen „Übergangsrates“ mit Verteidigungsminister Gratschow hätte der Rat sich bereit erklärt, „die Waffen niederzulegen“. Dudajew seinerseits lehnte Verhandlungen mit der Opposition zwar weiterhin ab, akzeptierte jedoch das Gespächsangebot Moskaus. her

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