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Roman Herzog zeigt Fingerspitzengefühl

■ Bei seinem Staatsbesuch in Israel wird der deutsche Bundespräsident herzlich empfangen / Bundesrepublik wichtigster ausländischer Partner neben den USA

Tel Aviv (taz) – Einen herzlichen Empfang erhielt gestern Bundespräsident Roman Herzog in Israel, wo er zu einem zweitägigen Staatsbesuch eintraf. Es handelt sich um den ersten außereuropäischen Besuch des neuen Bundespräsidenten und den zweiten Besuch eines deutschen Präsidenten in Israel überhaupt. Herzog wird von Außenminister Klaus Kinkel begleitet.

Ein Besuch im palästinensischen Autonomiegebiet oder Gespräche mit palästinensischen Persönlichkeiten sind im Rahmen dieser Reise nicht vorgesehen.

Die israelischen Beziehungen zur Bundesrepublik werden im Außenministerium als „besonders wichtig und gut“ bezeichnet. Deutschland wird hier als „wichtigster Auslandspartner neben den USA“ angesehen. Israel würde mehr deutsche Investitionen in Israel begrüßen und hofft, daß Unternehmer in der BRD und anderen EU-Ländern sich in Zukunft via Israel an Entwicklungsprojekten in einer friedlicheren Nahostregion beteiligen werden.

Die Zeitung Maariv lobte in einem Leitartikel das große Verständnis für die besondere Sensibilität der Israeli, das Bundespräsident Herzog schon vor seiner Reise zum Ausdruck gebracht hatte. Die Tatsache, daß Herzog Israel keine Ratschläge bezüglich ihrer Politik gegenüber den Palästinensern oder in der Jerusalem- Frage erteilt, wurde begrüßt.

„Der Holocaust wird für ewige Zeiten zwischen Deutschen und Juden stehen. Man kann jedoch nicht ignorieren, daß Deutschland heute in jeder Weise eine westliche Demokratie ist, die zu Israel ein besonderes Verhältnis hat“, heißt es in der Zeitung. „Neonazis in Deutschland müssen Besorgnis erregen, aber es wäre nicht fair zu übersehen, daß Präsident Herzog ein anderes Deutschland repräsentiert.“

Daß Deutschland „zum Kreis der gefestigten, erfolgreichen Demokratien“ gehört, unterstrich Roman Herzog dann auch in seiner Rede anläßlich eines von Israels Staatspräsident Eser Weizman gegebenen Essens. „Nach Jahrzehnten willkürlicher, schmerzhafter Trennung haben die Menschen im Osten und Westen meines Vaterlandes wieder zueinander gefunden. Wir haben Verständnis für jene, die auf die unerwartete Vereinigung der beiden deutschen Staaten mit Argwohn reagierten und den Teufel neuer Alleingänge des vereinten Deutschlands an die Wand malten. Fünf Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer sind diese Stimmen weitgehend verstummt.“

Nach dem offiziellen Empfang begaben sich Herzog und seine Frau zu einer Besichtigung und Kranzniederlegung in die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. Am späteren Nachmittag empfing der Bundespräsident die Eltern der im Libanon vermißten israelischen Soldaten Arad, Feldman, Bäumel und Katz. An die Bundesrepublik richtet sich die Hoffnung, sie werde sich intensiver für eine baldige Rückkehr der Vermißten, von denen wahrscheinlich nur der Flugnavigator Ron Arad am Leben ist, einsetzen.

Im Anschluß führte Bundespräsident Herzog Gespräche mit Ministerpräsident Jitzhak Rabin, Außenminister Schimon Peres und dem Staatspräsidenten Weizman, der zu einem Gegenbesuch in die BRD eingeladen wurde. Voraussichtlich wird dieser Besuch Weizmans im kommenden Mai stattfinden, wenn das 30jährige Jubiläum der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen den beiden Staaten gefeiert wird.

Heute besucht der Bundespräsident nach einem Gespräch mit dem Knessetvorsitzenden Schewach Weiss und einer Gruppe von Abgeordneten die Entwicklungsstadt Jerucham und Industriebetriebe im nördlichen Negev. In dieser Gegend sind zahlreiche Neueinwanderer, insbesondere aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion angesiedelt. Am Nachmittag wird eine Pressekonferenz in Jerusalem stattfinden. Vor seinem Rückflug wird Herzog dann noch vom Präsidenten des Obersten Gerichts, Meir Schamgar, im neuen prächtigen Gerichtsgebäude empfangen werden. Amos Wollin

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