: Doppelte Räumung
■ In einem der beiden letzten besetzten Häuser im Westteil: Zimmer wurde geräumt / Grüne fordern politische Lösung
Es war ein absurder Akt. Ein sichtlich mißvergnügter Gerichtsvollzieher vollzog gestern morgen in dem besetzten Haus in der Einsteinstraße 41 die Räumung eines ohnehin schon geräumten Zimmers. Er nahm zur Kenntnis, daß die frühere Bewohnerin den Raum im vierten Stock besenrein hinterlassen hatte. Damit ist nach einem vierjährigen Rechtsstreit der letzte von sieben Räumungsbeschlüssen vollstreckt. An der festgefahrenen Situation ändert sich freilich nichts.
„Die ganze Geschichte ist lächerlich“, erklärte ein Bewohner, „aber uns setzt das extrem unter Streß. Das ist ein Nervenkrieg.“ Eine Räumung des Hauses – neben der Marchstraße 23 das letzte besetzte Haus im Westteil der Stadt – halten die Besetzer für unwahrscheinlich, wollen aber „verstärkt aufpassen“. In dem Haus mit der bunt bemalten Fassade leben noch 28 junge Leute. Der Hauseigentümer, die Henning, von Harlessem & Co GmbH müßte gegen jeden einzelnen eine Räumungsklage anstrengen – das könnte sich über Jahre hinziehen.
Die Fraktion von Bündnis 90/ Die Grünen in der Charlottenburger Bezirksverordnetenversammlung drängt deshalb auf eine politische Lösung. „Dieser Schwebezustand ist für die Bewohner untragbar“, sagte Claudio Struck. Seine Fraktion fordert, daß sich Bezirk, Senat und Eigentümer an einen Tisch setzen, um Gespräche über einen Grundstückstausch wieder aufzunehmen.
Da ein Teil des Geländes dem Land Berlin und ein Teil Henning, von Harlessem gehöre, könne ohnehin keiner von beiden das Arreal im Alleingang bebauen. Besetzer und Bündnisgrüne favorisieren Baupläne, die ArchitekturstudentInnen der benachbarten Technischen Universität entworfen haben. Danach würden die beiden besetzten Altbauten Marchstraße 23 und Einsteinufer 41 erhalten bleiben. Auf dem Eckgrundstück sollen Neubauten entstehen, in denen Studentenwohnungen sowie Büros und Läden Platz finden.
„Die Möglichkeiten des Bezirks sind begrenzt“, stellt der Charlottenburger Baustadtrat Claus Dyckhoff (SPD) fest, der schon mehrere Vermittlungsversuche gemacht hat. „Der Finanzsenator ist der einzige, der versuchen könnte, die Grundstücke so zusammenzufügen, daß der Eigentümer seine Bürogebäude bauen kann und die beiden Häuser erhalten bleiben.“ Wenn sich der Fachbereich Architektur und Henning, von Harlessem auf ein Baukonzept einigen, die Unispitze sich dafür einsetzt und der Finanzsenator dann einen Grundstückstausch auf dem Gelände aushandelte, ließe sich der Konflikt lösen. Dorothee Winden
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