: Black & white – Geschichten aus dem neuen Südafrika Von Bartl Grill
Das Jahr Eins nach der Aufhebung der Sanktionen geht zu Ende. Südafrika ist zurück in der Welt, und die Welt ist zurück in Südafrika – mit all dem Schund und Segen, den sie zu heutzutage zu bieten hat. Die Kids verkleben ihre Mägen mit Coke und Pepsi und warten auf McDonalds & Michael Jackson. Sie spielen Streetball, tragen Doc Martens sowie Malcolm-X-Kappen. Papa darf im Stadion die Megastars vom AC Milan bewundern und nächtens wechselweise in die Fleischer-Zeitungen Playboy, Hustler, Scope oder Penthouse hineinonanieren. Mama guckt America's Funniest Home Videos. Und die ganze Familie liegt der Schnulzensängerin Whitney Houston jubelnd zu Füßen.
Benetton und Marlboro, Känguruh-Bier aus Australien und Suppen aus Maggiland, das Schrebergärtner-Set von Gardena und die Dummpuppen Ken und Barbie: Imported! Jeder Dealer wirbt damit. Kunde und Kundin, Schwarze und Weiße, Junge und Alte, Arme und Reiche finden grundsätzlich geil, was aus overseas kommt. Südafrika, ein normales Land, unterwegs zum globalen Konsumwahn. Wie frugal, wie bescheiden, wie keusch waren doch die alten Zeiten! Das Warenangebot auf dem platteland so vielfältig wie weiland in der SBZ, sonntags die Kinos geschlossen und das Kommunistische Manifest auf dem Index. Prostitution? Streng verboten. Glücksspiel dito. Die burischen Sittenwächter kontrollierten die öffentlich-rechtliche Moral, die Zensoren arbeiteten im Schichtdienst. Boykott von außen (sieht man einmal von kleineren Firmen wie Mercedes, VW usw. ab), Polizeistaat plus Calvinismus im Inneren: Der weiße Mensch blieb sauber, der schwarze unterdrückt. Nun sind alle frei und gleich vor dem Gesetz, am Altar des Konsums und im Sperrfeuer der Bewußtseinsindustrie.
Herrlich, was so alles von draußen kommt! Die Kleinsten kleben schon frühmorgens an der Mattscheibe und ziehen sich jene beliebten Movies rein, deren Mordfrequenz ungefähr der Schlagzahl einer guten Schreibkraft entspricht: 220 pro Minute. Jugendliche können die Langeweile mit Heroin bekämpfen, das neuerdings in Kapstadt, Durban und Johannesburg erhältlich ist. Vater Staat will sich unter dem Vorsitz von Nelson Mandela endlich ein paar Kriegsschiffe, Made in France, gönnen. Giftmüllhändler frequentieren die VIP-Lounge des Jan-Smuts-Flughafens. Es sollen auch schon Futtermittel aus Großbritannien gesichtet worden sein – Südafrikas Rinder werden sich wahnsinnig freuen. Tja, auch so besehen waren die Sanktionen keine schlechte Sache...
Das denken sich offenbar auch manche Kulturschaffende. John Kani zum Beispiel, der weltberühmte Theatermann. Er verweigerte kurzerhand die Aufführungsrechte der „Insel“. Zwei junge deutsche Schauspieler wollten sich glatt erfrechen, den Klassiker des Widerstandstheaters beim Festival in Grahamstown zu spielen. Dort will Kani das Stück demnächst selber inszenieren. Also beschied er: „There is nothing I can do for you.“ Das ist sozusagen der Dank an auswärtige Künstler, die das in Südafrika gebannte Stück im Geiste des Widerstands gegen die Apartheid aufführten. Welcome back, South Africa! Das Land öffnet sich, die Scheuklappen der Provinzialität wachsen.
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