Weitere Spannungen

■ Moskau will „illegale Kampfgruppen“ in Tschetschenien entwaffnen

Moskau (Reuter/taz) – Moskau hat erneut einen schärferen Kurs gegenüber Tschetschenien eingeschlagen: Der von Präsident Jelzin geleitete Nationale Sicherheitsrat ordnete gestern an, „alle verfassungsmäßigen Maßnahmen“ zu ergreifen, um die „illegalen Kampfverbände“ in der Republik zu entwaffnen. Unklar blieb freilich die konkrete Bedeutung dieses Beschlusses. Was unter „verfassungsmäßige Maßnahmen“ zu verstehen ist, wurde ebenso wenig erklärt wie die Bezeichnung „illegale Kampfverbände“.

Bei überraschend zustande gekommenen Verhandlungen zwischen dem tschetschenischen Präsidenten Dschochar Dudajew und dem russischen Verteidigungsminister Pawel Gratschow am Dienstag hatte es dagegen so ausgesehen, als sei ein Eingreifen Moskaus in den Bürgerkrieg im Nordkaukasus abgewendet worden. Nach dem Treffen hatte Dudajew vor einer jubelnden Menschenmenge verkündet, daß es keinen Krieg mit Rußland geben werde. Allerdings, so der Präsident einschränkend, sei der „politische Streit noch nicht gelöst“. Gratschow hatte nach dem mehr als einstündigen Gepräch lediglich festgestellt, daß beide Seiten „eine gewisse gegenseitige Übereinstimmung“ erzielt hätten. Es war das erste Treffen zwischen einem Mitglied der Moskauer Regierung und Dudajew, seitdem dieser 1991 die Unabhängigkeit Tschetscheniens ausgerufen hatte.

Unterdessen scheinen sich die Fraktionen des russischen Parlaments in ihrem Einsatz für die russischen Soldaten in Grosny gegenseitig übertreffen zu wollen. Nachdem es am Dienstag zunächst Reformpolitikern gelungen war, sieben Soldaten, die bei einem Angriff auf die tschetschenische Hauptstadt festgenommen worden waren, freizubekommen, kam wenig später auch eine Delegation der Liberaldemokratischen Partei von Wladimir Schirinowski mit zwei Soldaten nach Moskau zurück. Und auch die Kritik an dem bisherigen Vorgehen Moskaus im Konflikt mit Tschetschenien wird fortgesetzt. So warnte gestern selbst Vize-Verteidigungsminister Boris Gromow bei einer Parlamentsdebatte vor einem militärischen Eingreifen. „Das wird schlimmer als in Afghanistan. Es wird mehr Blut geben.“ Die Abgeordneten beschlossen, Dudajew für den heutigen Donnerstag nach Moskau einzuladen. Dann wollen sie in geschlossener Sitzung über die Grosny-Krise beraten. her