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Señor Zedillo, wir glauben Ihnen nicht

Mexikos Zapatistas kündigen den Waffenstillstand mit der Regierung auf / Bei der Pressekonferenz im Dschungel zeigt sich ein verbitterter Subcomandante Marcos  ■ Aus Aguascalientes Anne Huffschmid

„Ab dem 8. Dezember“, so Guerillasprecher Marcos, „kann alles mögliche passieren.“ Als „formalen Bruch“ des Waffenstillstands sieht die Zapatistenarmee (EZLN) den für heute vorgesehenen Amtsantritt des neuen PRI- Gouverneurs Eduardo Robledo in Chiapas. Dem Friedensversprechen fühle sich die EZLN „von diesem Tag an nicht mehr verpflichtet“, teilte der Subcomandante am Dienstag vor Medienvertretern im Lakandonischen Dschungel mit.

Schon im Morgengrauen hatten sich Dutzende von Fahrzeugen auf den Weg zu einer in jeder Hinsicht außergewöhnlichen Pressekonferenz gemacht: Für „Punkt 14 Uhr“ hatte die Generalkommandantur der EZLN interessierte Journalisten in befreites Gebiet eingeladen. Wieder sollte es, wie schon vor genau drei Monaten, dazu nach Aguascalientes gehen: In dem von zapatistischen Zimmerleuten erbauten „Tagungsort“ war Anfang August die Nationale Demokratische Konvention (CND) gegründet worden, gedacht als zivile Alternative zum bewaffneten Kampf.

Nach dem Passieren der letzten Militärkontrolle geht es über ein Schottersträßchen durch Wälder und Hügel, vorbei an Flecken leuchtend roter Erde und hölzernen Hütten mit winkenden Menschen. Hier und da tauchen handgemalte Schilder auf: ein riesiger Totenkopf mit dem Hinweis „Achtung! Hochvermintes Gebiet!“ Endlich, nach vielen Stunden Fahren und Warten, winken maskierte Soldaten die kleine Karawane durch den letzten Kontrollpunkt.

An die 100 Journalisten aus aller Welt haben sich vor dem Podium unter der riesigen Plastikplane eingefunden. Mit ungewohnt ernster Miene verliest der Subcomandante verschiedene Botschaften. „Willkommen im Alptraum“, begrüßt er zunächst den Präsidenten Ernesto Zedillo in dessen neuem Amt, „dieses Land wird Ihnen unter den Händen explodieren.“ Die Antrittsrede vom 1. Dezember, die der Guerillasprecher aufmerksam im Radio verfolgt habe, sei „nichts als ein Haufen Worte“. An diesem Tag habe Zedillo „eine Beerdigung besiegelt, die schon lange angekündigt war: das Begräbnis der Hoffnung auf einen friedlichen Wandel in Mexiko“.

Vom fehlenden Verhandlungswillen der neuen Regierung ist die Guerillaführung – die ihrem Sprecher am 17. November den militärischen Oberbefehl über die Rebellentruppen übertragen hatte – inzwischen überzeugt: „Sie wollen den Dialog, Señor Zedillo. Als neuer Oberbefehlshaber ist es meine Pflicht, Ihnen zu sagen, daß wir Ihnen nicht glauben können.“

Die Angebote zu Geheimverhandlungen, die der Zapatistenarmee laut Marcos zugegangen waren, werden „hiermit zurückgewiesen“. Die Führung der EZLN geht davon aus, daß in den letzten Wochen intensiv an der Vorbereitung eines militärischen Kahlschlages gearbeitet wurde. „Leider können wir dagegen nichts ausrichten: Unsere Versuche, auf diese militärische Vorbereitung aufmerksam zu machen, sind bei einer in Frust und Ärger versunkenen Nation auf taube Ohren gestoßen.“

So habe man sich jetzt selbst präpariert: Die Truppen, die laut Marcos auf „Zehntausende“ angewachsen seien, seien in Bereitschaft versetzt, und selbst seinen eigenen Nachfolger habe der Militärchef schon bestimmt „für den Fall, daß ich getötet werden sollte“. Man habe „alles versucht, um den Konflikt im politischen Rahmen zu halten: Jetzt wird er gewaltsam ausbrechen.“ Und solange nicht „Demokratie, Gerechtigkeit und Freiheit für alle Mexikaner“ erreicht seien, werde es Krieg geben in der Republik.

Die zweite Botschaft ist an die zivile Verbündete gerichtet, die Demokratische Konvention CND. Das Bündnis, das von der EZLN immer wieder wegen ihrer „internen Zankereien“ scharf kritisiert worden war, solle jetzt endlich energische Aktionen unternehmen, um die Annullierung der Wahlen zu erreichen. „Ihr habt nichts zu verlieren“, so Marcos, „aber ihr habt die Chance, die beiden Extreme dieses Kampfes verschwinden zu lassen: eine illegale Regierung und eine illegale Rebellenarmee.“ Dem mexikanischen Volk schließlich teilt die EZLN- Führung die Bedingungen für die Einhaltung des Waffenstillstands mit: Absetzung Robledos, Anerkennung des Oppositionskandidaten Amado Avendaño und Auflösung der paramilitärischen Gruppen. Immerhin: Robledo reagierte auf die Botschaft und bot seinen Rücktritt an, wenn die Zapatistas im Gegenzug ihre Waffen niederlegten. Ein unwahrscheinliches Szenario. Marcos' Schlußbemerkung jedenfalls klang nicht danach: „Wir haben diese Konferenz auch einberufen, um uns von euch zu verabschieden. Dies war die erste und letzte Pressekonferenz im lakandonischen Dschungel.“

Kommentar Seite 10

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