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Flugzentrum oder Luftschloß?

■ Der Streit beginnt erst: Meisner gegen Diepgen und Henkel

Noch ist nicht abzuschätzen, ob die drei Gesellschafter der Brandenburger Flughafen Holding (BBF) den neuen Großflughafen in Sperenberg oder Schönefeld- Süd realisieren wollen. Nach dem Raumordnungsverfahren ist nur Jüterbog-Ost nicht mehr im Gespräch. Mit einer Entscheidung rechnet Holding-Chef Hans-Olaf Henkel im Februar. Bis dahin gibt es zwischen den drei Gesellschaftern Berlin, Brandenburg und dem Bund einiges zu klären, denn alle verfolgen eigene Interessen.

Der Bundesregierung ist angesichts der dramatischen Ebbe auch in ihrer Kasse – Finanzminister Theo Waigel (CSU) muß 1995 neue Kredite in Höhe von 58,6 Milliarden Mark aufnehmen – an einer billigen Lösung gelegen. Die wäre aber nach Ansicht der Holding nur in Schönefeld-Süd zu haben, weil der heutige Airport nach der Eröffnung des Großflughafens weiter genutzt werden könnte.

Brandenburg wiederum will einen neuen Flughafen außerhalb des Speckgürtels, denn um das gigantische „Luftverkehrszentrum“ werden Ansiedlungen von Gewerbebetrieben erwartet. In Schönefeld-Süd würden diese zwangsläufig eine weitere nicht gewollte Zersiedelung am Stadtrand bewirken. Neben landesplanerischen Argumenten geht es aber auch um den schnöden Mammon. Je weiter die Milliarden-Baustelle vom Brandenburger Tor entfernt ist, desto mehr Arbeitsplätze enstehen im eigenen Bundesland.

Im Gegensatz zu den Bonner und Potsdamer Regierungsmitgliedern, die zumindest untereinander einig sind, gibt es in Berlin richtigen Streit. Als Anführer der Sperenberg-Lobby haben sich für die SPD Wirtschaftssenator Norbert Meisner und Fraktionschef Klaus Böger sowie in der CDU- Fraktion der verkehrspolitische Sprecher Rainer Giesel geoutet. Sie führen drei Argumente ins Feld: Nach Sperenberg würde der ICE fahren, nur hier wäre ein 24-Stunden-Betrieb möglich, und nur dieser Flughafen könnte noch in Jahrzehnten munter ausgebaut werden. Giesel, der sich in der Vergangenheit hemmungslos für alle Großprojekte begeistern ließ, hält weiterhin einen Mega-Airport für sechzig Millionen Passagiere für nötig. Bislang blieben er, SPD- Fraktionschef Böger und Senator Meisner die Antwort darauf schuldig, ob ein Neubau für deutlich weniger Passagiere rentabel ist, wie eine private Finanzierung des 10-Milliarden-Mark-Projekts aussehen soll und was in der Zeit bis zu dessen Eröffnung mit den Berliner Flughäfen passieren soll.

Zu den Schönefeld-Süd-Befürwortern zählen der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) und der Aufsichtsratsvorsitzende der Flughafen-Holding, Henkel. Die Fraktionsspitze der CDU, Klaus-Rüdiger Landowsky und Volker Liepelt, dürfen ebenfalls zu den Fans eines Berlin-nahen Standorts gezählt werden. Ihnen geht es vor allem um einen bezahlbaren Neubau. „Ohne die Finanzierung gesichert zu haben, bleibt jeder Ansatz für den neuen Flughafen nur ein Luftschloß“, sagt der Parlamentarische Geschäftsführer Liepelt. Er hält es für illusorisch, „vor dem Jahr 2015“ mit einer Eröffnung zu rechnen.

BBF-Chef Henkel kritisiert Prognosen zum Passagier- und Frachtaufkommen als „bisher viel zu optimistisch eingeschätzt“. Doch von diesen Größen hinge Wirtschaftlichkeit ab. Einen ICE- Anschluß und einen 24-Stunden- Betrieb hält er nicht unbedingt für nötig, denn Schönefeld werde „für die Mehrheit der Fluggäste immer besser zu erreichen sein“ als die anderen Standorte. Und teilweise verhängte Beschränkungen wie ein Nachtflugverbot „müssen sich nicht unbedingt wirtschaftlich negativ auswirken“.

Wie Diepgen warnt auch Henkel vor einem Standort, der den Neubau teurer Verkehrsverbindungen mit sich bringt. Eisenbahnanschlüsse wie den Aus- und Neubau von Bundesstraßen und Autobahnen muß Waigel bezahlen. Das Budget der Bundesregierung sei aber auf das äußerste belastet, sagt Henkel, und das seien „äußerst starke Argumente“. Dirk Wildt

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