: Liberalisierung in der Ukraine
■ Parlament bestätigt Präsident Kutschmas Reformkurs Auch mittlere und große Betriebe dürfen privatisiert werden
Kiew (AP) – Das ukrainische Parlament hat den im Juli verhängten Privatisierungsstopp für staatliches Eigentum aufgehoben. Damit sei der Weg für den weiteren marktwirtschaftlichen Umbau der Wirtschaft frei, meint ein Regierungssprecher. Er hat nur fast recht. Denn die Abgeordneten legten mit ihren Beschluß zugleich fest, daß 6.147 Betriebe des Transportwesens, der Kommunikationsindustrie und der Energiewirtschaft weiter staatlich bleiben sollen. Sie beauftragten die Regierung außerdem, weitere Betriebe der Nahrungsmittel-, Öl- und Rüstungsindustrie ebenfalls auf die Liste der in staatlicher Hand bleibenden Firmen zu setzen.
Trotz dieser Einschränkungen können nach der Entscheidung vom Mittwoch, die mit 207 gegen 90 Stimmen fiel, rund 77.000 mittlere und große Betriebe in den Privatisierungsprozeß aufgenommen werden, der Anfang nächsten Jahres beginnen soll. Die Parlamentsentscheidung gegen den Privatisierungsstopp, durch den der marktwirtschaftliche Umbau der Wirtschaft nahezu zum Stillstand gekommen war, gilt als Sieg für den zunächst als konservativ eingeschätzten neuen Präsidenten Leonid Kutschma, der sich mit einem überraschend radikalen Liberalisierungsprogramm im letzten Monat an die Spitze der Reformer gestellt hat.
Der Zustimmung der Bevölkerung zu diesem neuen Wirtschaftskurs sind sich die Abgeordneten jedoch keineswegs sicher. In derselben Sitzung beschlossen sie, daß ein Jahr lang keine weiteren Nachwahlen zum Parlament mehr stattfinden sollen. Die anhaltenden wirtschaftlichen Krisen der Ukraine haben den Wählern und Wählerinnen zunehmend die Lust am Urnengang genommen. Bei mehreren Nachwahlen in der letzten Zeit war es nicht einmal mehr gelungen, alle 450 Sitze der „Werhowna Rada“ zu besetzen. Sie blieben leer, weil die im Wahlgesetz vorgeschriebenen 50 Prozent Beteiligung nicht zustande gekommen waren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen