: Der Pfennig ist gefallen, der Groschen noch nicht
■ Nach dem Spruch von Karlsruhe gegen die Sondersteuer für die Kohleverstromung: CDU- und SPD-Politiker schieben sich gegenseitig die Schuld zu
Bochum (taz) – Hektisch reagierten nur die Politiker. Kaum hatte am Mittwoch nachmittag das Bundesverfassungsgericht die Grundgesetzwidrigkeit des sogenannten Kohlepfennigs verkündet, da war die „Schuldfrage“ schon geklärt. Die Bundesregierung allein sei verantwortlich, tönte etwa der Düsseldorfer Wirtschaftsminister Günther Einert (SPD), denn die Düsseldorfer Landesregierung habe schon seit Jahren darauf gedrängt, daß die Subventionierung „aus dem Bundeshaushalt finanziert werden müsse“. Es sei deshalb auch „Sache der Bundesregierung, so schnell wie möglich“ die Finanzierungslücke zu schließen.
Düsseldorfs CDU-Oppositionsführer Helmut Linssen warf der SPD umgehend eine „verantwortungslose Angstkampagne“ vor und empfahl den Genossen, sich an der Gewerkschaft Bau Steine Erden ein Beispiel zu nehmen, die sich „sehr viel vernünftiger verhält“. Tatsächlich herrschte gestern Ruhe auf den Pütts an Rhein, Ruhr und der Saar. Dafür hat das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil selbst gesorgt, in dem es „einen schonenden Übergang von der verfassungswidrigen zu einer verfassungsgemäßen Rechtslage“ vorschrieb. Bis zum 31. Dezember 1995 darf der Kohlepfennig in seiner bisherigen Form weiter erhoben werden. Mit der Sondersteuer, die 1994 in den alten Bundesländern durchschnittlich 7,5 Prozent der Stromrechnung ausmachte, wird die Verstromung der teuren deutschen Steinkohle subventioniert. 1992 ergab diese an die Stromproduzenten fließende Ausgleichabgabe 5,5 Milliarden Mark. Die Quelle hat nun ein Verbraucher aus Moers verstopft. Er hatte sich geweigert, an die RWE den in seiner Stromrechnung enthaltenen Kohlepfennig-Anteil in Höhe von 141,05 Mark zu zahlen. Zu Recht, befanden die Verfassungsrichter, denn für die Subvention seien nicht die Stromkunden über eine Sonderabgabe zuständig, sondern die Steuerzahler in ihrer Gesamtheit. 1996 sollte ein „modifizierter Kohlepfennig“ in den alten Ländern in Höhe von 8,5 und in den neuen in Höhe von 4,25 Prozent erhoben werden. Für die Zeit von 1997 bis 2000 sahen die bisherigen gesetzlichen Vereinbarungen jährliche Gesamtsubventionen von 7 Milliarden Mark vor. Wer dieses Geld aufbringen sollte, war bisher nicht geklärt. Die Politiker müssen sich nun ein Jahr früher über die Finanzierung verständigen. Sollten sie daran scheitern, wäre es um den Frieden auf den Pütts ganz schnell geschehen. Ewig währt die Ruhe an der Bergarbeiterfront nicht. Walter Jakobs
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