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SanssouciVorschlag

■ Drei neue Stimmen: Trinovox in der Passionskirche

Fast sollte das Konzert des florentinischen Trios Trinovox in der Passionskirche an der fehlenden Theaterbeleuchtung scheitern. Bewegt sich, wer eine Theaterbeleuchtung in einer Kirche fordert, bereits auf der Ebene der Metapher? Und wenn ja, wofür steht sie? Für Sakrileg, Sünde, Hölle und Dantes Inferno? Das wird es sein, sollen die drei Sänger doch auch schon früher als „mittelalterlich maskierte Kreaturen aus der Unterwelt“ aufgetreten sein und dabei die Zuschauer in zwei Lager gespalten haben – in Anbeter und Abtrünnige.

Nichts, was mit Stimme gemacht werden kann, ist dem Musikwissenschaftler Francesco Ronchetti, dem Tänzer/Sänger Julian Spizz und dem Sänger, Kunst- und Naturliebhaber Ricardo Pucci Rivola heilig. Keine Stilrichtung und keine Stimmtechnik. Madrigale und Pop, Belcanto und leidenschaftliches Chanson, Folklore und Rap, Vogelgekreisch und Totenklage. Die Leidenschaft junger Musiker und Musikerinnen – nicht nur bei Trinovox – scheint das Sammeln zu sein. Aber wie Trinovox diesen klanglichen und stimmlichen Reichtum in neuen Kompositionen verarbeitet, läßt aufhorchen. Oft singt einer, während die beiden anderen mit ihren Stimmen den Klangteppich gestalten. Die Selbstverständlichkeit, mit der sie dabei ihre Rollen wechseln und sich die führende Stimme weiterreichen, läßt die Lieder leicht und verführerisch klingen – gerade so, als könnte man selbst mitsingen. Aber reduziert oder einfach sind die Kompositionen von Trinovox keinesfalls. Neben dem klanglichen Reichtum der Stimme singen die drei auch in den verschiedensten Sprachen. Natürlich kommen Spanisch und Italienisch dabei vor, aber auch italienische Dialekte sowie Latein, Hebräisch, Englisch und Japanisch. Seltsam streng muten dagegen die Texte an. Meist sind es Gedichte, etwa von Baudelaire, Lorca, König Salomon oder Shelley. Trinovox stöbern im musikalischen und literarischen Erbe verschiedener Kulturen und Epochen herum. Und das nicht nur als Grundlage für einen neuen musikalischen Stil (der ja auch als eine Parodie auf das Alte verstanden werden könnte), sondern um der Angloamerikanisierung der europäischen Populärkultur etwas entgegenzusetzen. Ein mutiges Unterfangen. Da ihre Vertonung von Dantes „Göttlicher Komödie“ wie eine Synthese ihrer Absichten wirkt und den ganzen Kosmos ihrer musikalischen Fähigkeiten umfaßt, kann man nur hoffen, daß es gelungen ist, die Theaterbeleuchtung in der Passionskirche zu installieren. Waltraud Schwab

Heute, 20 Uhr, Passionskirche, Marheinekeplatz, Kreuzberg.

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