: Spuren jodelnder Vielstimmigkeit
■ Das Festival „Spiel 4“ bietet Experimente im Spritzenhaus
Festivalzeit in Ottensen. Im Spritzenhaus, Hamburgs erster Adresse für akustische Kunst, treffen sich ab 14. Dezember vier zeitgenössische Musiker, um ihre Perspektive improvisierter Musik vorzustellen. Die „Vier“, die experimentellen Streicher Mary Oliver (San Diego) und Villem Wagner (Hamburg) sowie die Stimmkünstlerin Ute Wassermann (Hamburg) und der Komponist Richard Barret (London/Amsterdam), experimentieren seit Jahren in unterschiedlichen Besetzungen mit den Möglichkeiten stimmlicher wie instrumenteller Improvisation.
Mary Oliver, die am Mills College im kalifornischen Oakland studiert hat, spielt ein norwegisches Streichinstrument, dessen Klang-spektrum irgendwo zwischen Bratsche und Geige herumgeistert: die Hardanger-Fele. Daß nicht nur norwegische Folklore auf dieser seltsamen Fiedel klingen kann, zeigen Mary Olivers Improvisationen, die ihre Wirkung aus der nebulösen, untemperierten Stimmung des Instrumentes beziehen. Villem Wagner wird dieses Streicherspektrum mit verfremdeten Geigenklängen ergänzen.
In Kalifornien begann auch die künstlerische Zusammenarbeit zwischen Mary Oliver und der Sängerin Ute Wassermann. Cathy Berberian und Diamanda Galas zählen zu Ute Wassermanns Vorbildern. Doch auch Spuren jodelnder Vielstimmigkeit, vergleichbar mit Meredith Monk gurgelnder Virtuosität, finden sich in ihrer polyvokalen Kunst. Als Komponist ist der Brite Richard Barrett ein Fremder im eigenen Lande. Wie sein Kollege Brian Ferneyhough zog es auch Barrett zu den Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik, wo er eine Art Komponieren auf des Messers Schneide entwickeln konnte. Der Kammermusik-Zyklus Negatives (1988-93) ist momentan Barretts schärfste Formulierung dieser Ästhetik. Im Spritzenhaus wird so etwas wie eine gesampelte Negativität zu hören sein.
Sven Ahnert
14. 12. Ute Wassermann, 15. 12. Mary Oliver, 16. 12. Richard Barrett/Villem Wagner)
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