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Äthiopiens Vergangenheit

■ Die Verbrechen des Mengistu- Regimes kommen nun zur Anklage

Addis Abeba/Berlin (AP/taz) – In dem für Afrika beispiellosen Versuch, verbrecherische Vergangenheit mit strafrechtlichen Mitteln zu bewältigen, begann gestern in Äthiopien der erste Prozeß gegen Vertreter des 1991 gestürzten Regimes von Mengistu Haile Mariam. Während der 17 Jahre währenden kommunistischen Herrschaft wurden zwischen 100.000 und 200.000 Regimegegner ermordet. Hunderttausende von Menschen kamen in der Zeit im Bürgerkrieg und bei Hungersnöten ums Leben. Die Verhandlung soll Auftakt einer ganzen Prozeßserie sein, die sich über Jahre hinziehen könnte. Äthiopien wird damit voraussichtlich zu einem Modell für Länder wie Ruanda, Somalia oder gar Bosnien werden, in denen ebenfalls nach Wegen zu einer Aburteilung von Kriegsverbrechern gesucht wird.

In der ersten Prozeßrunde steht die einstige Führungsclique vor Gericht. Von den 66 Angeklagten sind 45 in Haft. Gegen 21 wird in Abwesenheit verhandelt. Dazu gehört auch Mengistu selbst, der im Exil in Simbabwe lebt und dessen Auslieferung Äthiopien vergeblich verlangt hatte. Allen Beschuldigten droht die Todesstrafe. Die Anklage will ihnen die Ermordung von 1.823 namentlich identifizierten Personen nachweisen.

Der Prozeß und die folgenden Verhandlungen wurden von einer Sonderstaatsanwaltschaft in Addis Abeba vorbereitet und von der Internationalen Juristenkommission unterstützt. Die Beweisaufnahme der Ankläger war durch die Bürokratie des Mengistu-Regimes erleichtert worden: In deren Archiven fand man akribisch zusammengestellte Aufnahmen von Massenhinrichtungen, Erschießungsbefehle und Protokolle von Folter-Verhören. Über 300.000 Dokumente liegen nun als Beweismaterial vor. kim

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