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Sicherheit nur bei ruhiger See

■ DASA-Gutachten: Schlepperschutz bei Havarien in der Deutschen Bucht ist nur mangelhaft

Bei schlechtem Wetter in der deutschen Bucht hilft den Schiffen bei einer Havarie nur der liebe Gott. Das jedenfalls ist das Ergebnis eines bisher unveröffentlichten Gutachtens, das die Deutsche Aerospace (DASA) Bremen im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums erstellt hat: „Es besteht kein ausreichender Schlepperschutz für einen Havaristen (Großtanker) in der Deutschen Bucht bei einer Schlechtwetterlage, da die vorhandenen Hafen- und Küstenschlepper bei diesen Wetterverhältnissen nicht mehr einsetzbar sind, bzw. der erforderliche Pfahlzug (die Schleppleistung, d.Red.) nicht aufgebaut werden kann, um den Havaristen sicher an den Haken zu nehmen.“

In Bonn dagegen will man von diesem Ergebnis der Studie „Verkehrssicherungssystem 2000“ nichts wissen: „Unsere Experten bewerten das anders“, meint Peter Keidel, stellvertretender Abteilungsleiter der Abteilung Seeschiffahrt beim Ministerium. „Wir haben momentan eine ausreichende Schlepperkapazität in der Deutschen Bucht.“ Keidel verweist auf das Mehrzweckschiff „Mellum“, das für „eine ausreichende Sicherheitslage“ in den deutschen Nordsse-Gewässern sorge.

Dem widerspricht allerdings die DASA-Studie: „Die Leistung der –Mellum–reicht bei einem Notfall nicht aus, um einen Havaristen sicher an den Haken nehmen zu können. Zur Zeit gibt es keinen ausreichenden Schutz für derartige Notfälle, eine unverzügliche Hilfeleistung von der 'Mellum' ist nicht zu erwarten. Aus diesem Grund besteht ein dringender Handlungsbedarf. Es wird daher vorgeschlagen, den eingelagerten Hochseeschlepper 'Oceanic' für eine nationale Präventivmaßnahme vorzusehen.“

Das stößt bei der „Bugsier-, Reederei- & Bergungsgesellschaft“ (BRB) in Hamburg auf offene Ohren. Denn die „Oceanic“ gehört der BRB und liegt nach Angaben des stellvertretenden Seebetriebsrates, Carsten Wibel, eingemottet in Bremerhaven. „Wir stellen uns vor, daß die Oceanic vom Bund gechartert wird und ab Windstärke 6 vor Helgoland unterwegs ist.“ Wibels plädiert für den Bereitschaftsdienst, weil er 40 Arbeitsplätze sichern würde und die „Oceanic“ sich für die Firma beim harten Konkurrenzkampf um den Bergungsmarkt nicht mehr rentiert. Aber der Betriebsrat hat auch Sicherheitsbedenken: „Allein im Oktober wurden über die deutschen Nordseehäfen 2,5 Millionen Tonnen Rohöl importiert“. Für ihn ist die „Mellum“ nur für Schönwetter-Bergungen geeignet. Bei der Havarie der „Hudson Bay II“ im vergangenen Jahr hätten auch zwei kleine Schleppschiffe und ein Anker einen größerer Unfall nicht verhindert: Das Schiff sei nur durch eine Wetterbesserung vor Helgoland gerettet worden.

Für Peter Keidel ist das DASA-Gutachten noch in der Auswertung, konkrete Schlußfolgerungen gebe es noch nicht. Doch „der Einsatz der Oceanic würde im Jahr 10 Millionen Mark kosten und wäre wirtschaftlich nicht vertretbar. Aber wenn dieses Schiff entmottet ein Gewinn für die Sicherheit wäre, würden wir es einsetzen“, versichert der Beamte. Das sei aber nicht nötig, außerdem werde momentan ein neues hochmodernes Mehrzweckschiff gebaut. Schließlich hätte ein Versuch ergeben, daß auch die „Mellum“ einen großen Tanker abschleppen könne.

Dieser Test, den die Wasser- und Schiffahrts-Direktion Nord im Mai vorgenommen hat, erfülle allerdings die „vorgeschlagenen Randbedingungen (Seegang, Größe des zu schleppenden Tankers usw.) nicht annähernd“, erklärte die DASA in einer Reaktion auf die Diskussion um ihr Gutachten. „nach unseren Recherchen sind durch die vorhandenen Schlepperkapazitäten Notfallsituationen bis zu einem Seegang von Windstärke 6 ausreichend abgesichert. Die Frage, ob oberhalb eines Seegangs von Windstärke 6 eine Sicherheitslücke existiert, ist weiterhin ungeklärt.“ Windstärke 6 – allen Landratten sei es gesagt – gilt als „starker Wind“. Und Windstärken über 6 herrschen laut Messungen des Seewetteramtes Hamburg in der Deutschen Bucht recht häufig – nämlich von September bis Januar im Schnitt 10 bis 15 Tage im Monat. bpo

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