piwik no script img

Urgrüne Werte

■ Landesausschuß der Grünen uneins über Standort für Tempodrom / "Grünfläche" am Anhalter Bahnhof erhalten

„Hier prallen zwei urgrüne Werte aufeinander“, stellte die Kreuzberger Grüne Ida Schillen am Mittwoch abend beim Landesausschuß der Grünen fest. Ökologie und Förderung eines alternativen Kulturprojektes lassen sich bei einem Neubau des Tempodroms auf dem Anhalter Bahnhof nicht miteinander vereinbaren, so präsentierten die Kreuzberger Grünen den Konflikt. Und gewannen mit zwei Argumenten einige Sympathie bei den Delegierten: „Wir haben zehn Jahre lang um die Erhaltung dieser Grünfläche gekämpft“, begründeten mehrere Mitglieder der Bezirksgruppe, warum sie das Tempodrom lieber am Schlesischen Busch in Treptow sähen.

„Wir haben fünf Jahre Bürgerbeteiligung am Anhalter Bahnhof hinter uns. Die Bürger wollen dort einen Park, und das können wir mit einer BVV-Entscheidung nicht einfach über Bord werfen“, argumentierte Barbara Österheld. Daß damals das Tempodrom noch gar nicht zur Debatte stand, sagte sie nicht. Sie wolle „eine authentische Politik für die Grünen“ machen. Es entspreche nicht ihrem Politikverständnis, sich jahrelang für eine Grünfläche einzusetzen und dann plötzlich einer Bebauung zuzustimmen. Soviel Standhaftigkeit kam bei den Delegierten gut an. Auch Michael Haberkorn bekräftigte die Kreuzberger in ihrer Haltung, sich nicht dem öffentlichen Druck zu beugen und appellierte an die Delegierten: „Seid mal so mutig, gegen den Mainstream zu entscheiden.“

Ob der Neubau des Tempodroms den geplanten Park am Anhalter Bahnhof vor weiterer Bebauung schütze oder als „Türöffner“ neuen Bauplänen geradezu Vorschub leiste, blieb strittig. Dennoch gelang es den Kreuzbergern, die Stimmung zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Daran konnte auch die deutlichen Worte eines Steglitzer Delegierten nichts ändern, der ihnen eine Fehlentscheidung bei der Güterabwägung vorwarf. Eine „historische Festgefahrenheit“ habe die „nüchterne Betrachtung der Sachargumente verstellt“. Das habe zu einem „politisch brisanten Ergebnis“ geführt, das „schlecht für die gesamte Partei“ sei.

„Ich weiß, wie schmerzlich es ist, daß der Grünzug am Gleisdreieck Stück für Stück für die Baulogistik am Potsdamer Platz kaputtgemacht wurde“, versuchte die ehemalige Europaabgeordnete Birgit Daiber auf die Kreuzberger einzugehen. Sie hatte einen Antrag eingebracht, in dem die Bezirksgruppe aufgefordert werden sollte, ihre Haltung in der Standortfrage noch einmal zu überdenken. Doch deren Fraktionsvorsitzender Franz Schulz appellierte an die Versammelten, Daibers Antrag nicht zu unterstützen. Nicht zuletzt daran ließ sich ablesen, wie hoch die psychologischen Barrieren aufgetürmt sind.

Die Abstimmung über Daibers Antrag endete überraschenderweise mit einem Patt: 17 Delegierte stimmten dafür, 17 dagegen. Jetzt sind die Kreuzberger Grünen am Zug. Dorothee Winden

Siehe Kommentar Seite 21

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen