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■ DopingTestosteronschwemme

Berlin (taz) – „Zutiefst schockiert“ zeigte sich Sally Gunnell, britische Weltmeisterin über 400 m-Hürden, doch was sie so aufbrachte, war keineswegs die positive Dopingprobe einer Teamkollegin, sondern das Urteil, das der Britische Leichtathletikverband (BAF) jetzt in dieser Sache fällte: gegen die 800 m-Läuferin Diane Modahl wurde eine vierjährige Sperre verhängt. Modahl war bei einem Rennen in Lissabon am 18. Juni getestet worden, ihre Probe hatte einen ungemein hohen Testosteronwert ergeben. Das Verhältnis Testosteron zu Epitestosteron, normalerweise 1:1, betrug bei der schwarzen Mittelstrecklerin 42:1. Der zulässige Grenzwert ist 6:1, bei Ben Johnsons zweitem Dopingverstoß, der dem Kanadier eine lebenslange Sperre einbrachte, war das Verhältnis 10,3:1. Den Rekord hält eine Russin, die mit 55:1 ertappt wurde.

Obwohl die B-Probe die erste Analyse bestätigte, nährten der ungewöhnlich hohe Wert und einige Ungereimtheiten in der britischen Öffentlichkeit Zweifel an der Schuld Modahls, die als besonders integer galt, ein Image, das von ihrem norwegischen Ehemann nach Kräften gefördert wurde. Vicente Modahl, Manager diverser erfolgreicher Athleten, hatte noch während der EM in Helsinki über die ertappte Rumänin Ella Kovacs gewettert: „Es ist nicht fair, daß saubere Athleten gegen solche starten müssen, die Drogen nehmen.“ Zu dieser Zeit war Diane Modahls Urinprobe bereits analysiert, das Ergebnis aber noch nicht bekanntgegeben worden.

Auf die schleppende Abwicklung der Untersuchung stützte sich auch die Verteidigung. Erst drei Wochen nach Entnahme wurde die Probe untersucht, zwischenzeitlich lagerte man sie ungekühlt bei Temperaturen bis zu 27 Grad. Der britische Verband wurde erst sechs Wochen später informiert, was dazu führte, daß sich das britische Frauenteam beim Europacup durch Modahls Sieg für den Weltcup qualifizierte. Die Teilnahme der Britinnen bei dieser Veranstaltung hatte heftige Proteste der anderen Nationen ausgelöst.

Trotz der Lissabonner Merkwürdigkeiten schloß die Kommission der BAF jedoch Manipulationen ebenso aus wie eine Beeinträchtigung der Probe durch unsachgemäße Lagerung. Der hohe Testosteronwert könne nur durch Doping zustande gekommen sein, lautete das Verdikt, das insofern überraschend kam, als es vor der Verhandlung eine breite Solidarisierungskampagne mit Modahl gegeben hatte. 64 Athletinnen und Athleten forderten in einer gemeinsamen Erklärung Diane Modahls Freispruch, Sprint-Olympiasieger Linford Christie hatte gar geäußert: „Wenn man nicht ihre Unschuld feststellt, ist keine Gerechtigkeit geübt worden.“ Nicht nur der Beobachter des Internationalen Verbandes (IAAF), Christopher Winner, befürchtete unter diesen Umständen ein „Heimurteil“, wie es der DLV im Fall Katrin Krabbe vorgeführt hatte.

Die Sympathie der Kollegenschaft mit Diane Modahl ist natürlich nicht ganz uneigennützig. Der Schuldspruch bringt die gesamte englische Leichtathletik, wegen ihrer Erfolge der letzten Jahre ohnehin mißtrauisch beäugt, ins Zwielicht. Schließlich ist Diane Modahl, die gegen das Urteil Berufung einlegen wird, das hochrangigste Mitglied der englischen Leichtathletik, das bisher wegen Dopings verurteilt wurde. „Das schlimmste Weihnachtsgeschenk, das der britische Sport bekommen konnte“, meinte ein Sportkaplan aus Manchester.Matti Lieske

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