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■ Vorlaufs/w und direkt

„Brüder“, 20.40 Uhr, arte

Irgendwo zwischen dem düsteren Blues von Billie Holiday und dem finsteren Gangsta-Rap der Public Enemy pulsiert der Alptraum einer Nacht. Ein ödes Vorstadt-Ghetto in einer der „banlieues“ von Paris. Der 14jährige Zak kurvt mit seiner Clique umher. Sie wollen François von der gegnerischen Gang eine Abreibung verpassen. Zak jedoch erschießt ihn aus Versehen. Wie in Trance schlurft er durch die Ödnis, seine Junkie-Schwester Max- Laure will ihm einen Unterschlupf organisieren. Bruder Shark soll die Kohle für Zaks heimlichen Abgang beschaffen. Er läßt sich auf ein Roulette rouge ein: die ultimative Crash-Kid-Action – Autowettrennen über rote Ampeln. In der Zwischenzeit sinnt François' Bruder Paul auf Blutrache. Am Ende der Nacht gibt es eine Leiche, eine Vergebung – und ein betonmäßiges Morgengrauen.

Das klingt wie eines jener bleischweren „Kleinen Fernsehspiele“ mit ihrer koketten „Bonjour Tristesse“-Ästhetik, doch der Ex- Videoclipper und Regiedebütant Oliver Dahane (24) dreht keine düstere Dialogballade, sondern eine harte Momentaufnahme aus dem Underdog-Milieu. Seine 140minütige Filmfassung wurde für arte auf 63 Minuten verkürzt; das Sprunghafte, Ungeschliffene dieser Version unterstreicht jedoch die Atmosphäre: jenes Dschungelgefühl aus unbedingter Loyalität und Überlebens-Egoismus; expressive Symbole, depressive Dias, strukturelle Gewalt und mehr: In die fiktive Handlung fügt Dahane reale Knastinterviews mit Jugendlichen ein, schwarzweiß und direkt. Träume vom geilen Sportwagen vor der Disco. Alpträume vom drogentoten Bruder. Reality-TV mit verzerrter Stimme und grobkörnig herangezoomten Augen. „Die Typen, die vor uns waren, haben uns kein Beispiel gegeben“, klagt Ablo – und daß Araber und Schwarze ihren eigenen Leuten Drogen andrehen: „Wir haben uns selbst in die Scheiße gesetzt.“

Ein starker Film nicht nur für Straßenkids und ihre Sozialarbeiter, sondern wegen der ungekünstelten Lebenswut der Darsteller ein aufregendes Fragment Wirklichkeit.Dieter Deul

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