: „Ich bin ein Liebesjunkie“
Ohne Filter und mit Rhythmusmaschine: Bettina Köster, Ex-Malaria!-Sängerin, tritt heute mit neuen Songs im Boudoir auf. Mit ihr sprach ■ Gudrun Holz
Der Beat ist verzögert, der Rhythmus schlingert, die Melodielinien reiben sich aneinander. Ein grooviger rauher Klang, fast minimalistisch arrangiert, aber immer mit dem unverkennbaren pointierten Gesang. Die Texte dunkel intoniert, mal blues-schwer, mal mit routinierter Eleganz und lasziv gemurmelt. Bettina Köster, Sängerin und Texterin von Malaria!, nur begleitet von ihrer Soundmachine, gastiert im Boudoir.
Zwar dem Purismus der 80er verpflichtet, aber ohne nostalgische Allüren, wird die passionierte Life-Musikerin ihre neuen (Love-) Songs spielen. Kösters Laufbahn als Musikerin begann Anfang der 80er mit Malaria!, den dunkelen Heldinnen des Jahrzehnts. Fünfköpfige Berliner Band mit zeitweilig zwei Schlagzeugerinnen, die wie die All-Girls-Besetzung Programm waren.
Als Novum Frauenband provozierten die Do-it-yourself-Musikerinnen in der Ära des Klampfen- Feminismus, des Früh-Punk und „Industrial“ à la Neubauten oder La Düsseldorf handfeste Auseinandersetzungen, die bis zur Saalschlacht reichten. Der einen zu martialisch, der anderen gerade tough genug. Erfolgreich von New Yorker Clubs bis in die japanischen Charts, widersetzen sie sich der branchenüblichen männlichen Prädominanz, unbeirrt auf ihren musikalischen Wegen.
Auf der Höhe ihres Erfolges, 1984, trennte sich die Band. Nach einer kreativen Pause trafen sich Köster, Soundtüftlerin Gudrun Gut und Keyboarderin Manon Duursma wieder und produzierten 91 und 93 zwei neue Malaria!-CDs.
taz: Du nennst Deine Solonummer „music pure“. Heißt das „Köster unplugged“?
Bettina Köster: Insofern „unplugged“, als ich auf sämtliche Logistik verzichte, mich auf die Sachen konzentriere, die ich jetzt komponiert und getextet habe und die ich ausprobieren werde, das heißt ungefilterte Life-Musik.
Impliziert das den musikalischen Bruch mit Malaria!?
Nein, darum geht es überhaupt nicht. Malaria! ist ein entscheidender Teil meiner musikalischen Identität. An den Prinzipien, nach denen wir damals gearbeitet haben – Intensität, direkte Aussagen via Performance – hat sich für mich nichts geändert. Nur bin ich inzwischen erfahrener und habe ein größeres musikalisches Handwerkszeug zur Verfügung. Resultat ist für mich die Freiheit, mir künstlerisch das auszusuchen, was mir paßt.
Zu den Texten, dem Dylan- Cover von „Lay Lady Lay“, in dem du eine Frau besingst, oder dem erotischen Text zu „Von Hinten“: Sind das bloß Liebeslieder?
Ich bin ein Liebesjunkie, süchtig. Und die Texte sind mein Manifest. Ich glaube an die perfekte Liebesbeziehung, und das mit aller Konsequenz, wie im Text zu „Von Hinten“. Es geht dabei um absolutes Vertrauen und Hingabe und nix Verbotenes. Wenn man Barrieren umschmeißt, betritt man ein neues Gebiet, und darum drehen sich meine Texte, ganz allgemein. Edith Piaf hat gesagt: „Ich singe Liebeslieder, weil ich so unglücklich bin!“ Wunderbar, aber nicht mein Motto.
Ich sehe mich eher in der Tradition des deutschen Kunstliedes, Weills oder Eislers. In New York habe ich letztens sogar ein Wagner-Lied interpretiert. Das heißt nicht, daß ich auf dem Weg zur Diseuse bin, aber auch mit Malaria! haben wir unterschiedliche Musikstile für unsere Zwecke genutzt. Und zum Stichwort Homosexualität: In Amerika ist das immer die erste Frage. Hier fragt mich kein Mensch nach meiner sexuellen Orientierung. Anyway, Toleranz brauche ich nicht, egal wen ich liebe.
Thema Frauenband, ist das abgehakt?
Als Malaria! haben wir uns ja sehr weit vorgekämpft, unsere Autonomie verteidigt. Von da aus führt kein Weg zurück. Ich muß nach wie vor mit niemandem spielen, der mich nicht respektiert. Beispiel: Auf Tournee waren beim Soundcheck einmal sämtliche Gitarren verstimmt, einfach weil die Techniker meinten, wir hätten wohl die falsche Tonart drauf, die fanden das strange. Solche Sachen passieren nicht mehr. Das ganze Business, was weibliche Künstler angeht, hat sich positiv verändert. Zum Beispiel Madonna, die ihr Geschäft selbst in der Hand hat, oder jemand wie Marianne Faithfull. Die spielt nix, weder weiblich noch männlich, sondern persönlich.
Was planst du für deinen Auftritt im Boudoir?
Ich stelle ein work in progress“ vor. Mit Rhythmusmaschine, Keyboards und meinem Gesang. Für meine neuen Stücke bin ich in mich gegangen, habe mich auf meine Wurzeln besonnen und an meiner Stimme gearbeitet. The message is love. Überraschenderweise haben die Sachen den Malaria!-Touch, aber in anderem Gewand – indem ich Samples benutze und mich auch sonst sozusagen eklektizistisch moderner Soundmethoden bediene, sprich Programmierung et cetera. Trotzdem wird es den Life-Charakter behalten, und dafür ist die Clubatmosphäre im Boudoir der perfekte Platz.
Bettina Köster: „Music Pure“, heute ab 22 Uhr im Boudoir, Brunnenstraße 192, Mitte
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