"Sie sind ein Papagei!"

■ Ein Streitgespräch zwischen Taslima Nasrin, die von religiösen Fanatikern aus ihrer Heimat Bangladesch ins schwedische Exil getrieben wurde, und drei jungen Frauen, die im laizistischen Frankreich auf dem Recht...

Taslima: Können Muslime in Frankreich nach islamischem Recht heiraten, das sie ja über jedes andere stellen?

Hakima: Eigentlich gibt es überhaupt keinen Gegensatz zwischen republikanischem und islamischem Recht. Wir leben unsere Religion als französische Bürgerinnen.

Taslima: Aber wie ist das für Sie persönlich, unterliegen Heirat und Scheidung dem republikanischen oder dem islamischen Recht?

Hakima: Beiden. Ich habe zuerst islamisch geheiratet, danach im Standesamt. Sollte ich mich einmal scheiden lassen, dann zuerst islamisch, danach zivilrechtlich.

Taslima: Also darf ein französischer Muslim auch vier Ehefrauen haben, wie es ihm der Koran gestattet?

Fatima: Nach französischem Recht nicht. Außerdem macht der Koran aus der Polygamie ja keine Vorschrift.

Taslima: Aber wie sieht das hier in Frankreich in der Praxis aus?

Hakima: Ich habe zum Beispiel in meinem islamischen Ehevertrag zwei Bedingungen festgelegt, die mein Mann, ein Theologe, akzeptiert hat. Erstens: Er verzichtet auf Polygamie. Und zweitens: Ich kann bis zum Abschluß meiner Doktorarbeit weiterstudieren... Aber ich verstehe Sie überhaupt nicht! Sie kommen wahrscheinlich aus einem Land, in dem es Tradition ist, daß ein Mann vier Ehen eingeht. Wir dagegen kommen aus Marokko, und dort hat es diese Gewohnheit nie gegeben...

Taslima: Ich rede nicht von Tradition! Ich rede davon, was der Basistext der Religion, an die Sie glauben, festlegt. Sie behaupten ja, den Koran gelesen zu haben. Finden Sie nicht, daß Frauen darin diskriminiert werden?

Fatima: Absolut nicht. Jedenfalls nicht mehr als in Frankreich, wo wir unter all den „befreiten“ Frauen leben, die sich nackt ausziehen, um ein Joghurt zu verkaufen! Tut mir leid, Ihnen sagen zu müssen: Ich finde es skandalös, wie Sie die Stellung der Frau im Islam denunzieren.

Hakima: Wir haben in unserer Religion einen Einklang zwischen klaren Pflichten und Rechten gefunden. Die Behauptung zum Beispiel, der Islam würde Frauen verbieten, zu studieren, ist eine ungeheuerliche Unwahrheit. Es ist die maghrebinische und orientalische Tradition, die den Frauen vorschreibt, zu Hause zu bleiben, Couscous zu kochen und einen Haufen Kinder zu kriegen. Darin haben Sie recht. Aber dafür ist eben nicht die Religion verantwortlich, wie Sie behaupten. Sogar unsere Eltern, die zum wahren Islam übergetreten sind, haben inzwischen begriffen, daß ein muslimisches Mädchen lernen und seine Ausbildung vorantreiben sollte.

Taslima: Sie sind also gegen die Tradition?

Fatima: Ja, und zwar von dem Moment an, wo sie die Religionsfreiheit beeinträchtigt und vor allem die Freiheit von Mann und Frau.

Taslima: Aber die Tradition kommt doch aus einem System religiöser Vorschriften, warum sehen Sie das nicht?

Hakima: Nein! In Ouarzazate, dem Kaff, aus dem ich komme, wird weder gebetet, noch gibt es den Ramadan. Da treffen Sie Leute, die überhaupt nicht an Gott glauben, und trotzdem muß die Frau zu Hause bleiben! Das liegt in ihrer Tradition! Wenn ich dort in die Moschee gehe und dort nur Männer sehe, bin ich schockiert. Dort gelte ich als höchst freie Frau!

Taslima: Ich bin mir nicht sicher, ob Sie den Koran so wie ich gelesen haben, so an die hundertmal...

Hakima: Haben Sie ihn auf arabisch gelesen?

Taslima: Auf arabisch und in bengalischer Übersetzung.

Hakima: Aha! In einer Übersetzung! Also notgedrungen...

Taslima: Es ist ganz schön schwierig, ein Gespräch unter einer solchen Redeflut zu führen! Also, ich habe ein Buch mit dem Titel „Die Frauen und der Koran“ geschrieben. Darin analysiere ich, was positiv und was negativ an den Korantexten ist...

Hakima: Wenn Sie die Tatsache negativ nennen, daß Ehebruch und Unzucht verboten sind – wir finden das positiv.

Taslima: Das Ehebruchverbot zielt nur auf die Frauen.

Fatima: Nein, es gilt für Mann und Frau gleichermaßen. Wenn in Frankreich ein Mann zwar nicht das gesetzliche Recht auf vier Ehefrauen hat, hat er doch drei oder vier Geliebte – plus Ehefrau. Wenn man Sie im Fernsehen sieht, hört man immer: „Der Islam unterdrückt die Frauen.“ Warum wiederholen Sie das dauernd?

Taslima: Da Sie, wenn ich das richtig verstanden habe, auf der Suche nach dem ursprünglichen Islam sind, müssen Sie notwendigerweise auf den Koran zurückgehen. Ich kann darin nur eine einzige positive Sache finden: das Verbot, weibliche Neugeborene zu töten, eine vorislamische Praxis. Im übrigen sagt er ziemlich deutlich, daß der Mann der Frau übergeordnet ist. Zunächst behauptet er, daß sie aus einer Rippe des Mannes geboren sei – was keinerlei sachlichen oder wissenschaftlichen Gehalt hat. Das ist nichts anderes als ein Mittel, auf die Unterlegenheit der Frau gleich von Anfang an hinzuweisen. Und warum sollte nur der Mann ein Recht auf vier Ehefrauen haben und nicht umgekehrt auch die Frau?

Hakima: Sie interpretieren die Religion falsch. Machen wir etwa einen besonders unterdrückten Eindruck?

Taslima: Sie haben das Glück, in einem laizistischen Staat zu leben und zu machen, was Sie wollen. Sie wirken deshalb allerdings nicht sonderlich unterdrückt. Aber ich spreche von Werten. Werte, die Sie als persönliche Eigenschaft betrachten. Warum empfinden Sie als Frauen das Bedürfnis, dieses Kopftuch, ein Symbol der Unterdrückung der Frau, zu tragen und zur Schau zu stellen?

Hakima: Im Islam darf eine Frau ihr Gesicht und ihre Hände nicht zeigen. Das ist Pflicht, Schutz und Sittsamkeit. Man muß Würde haben, körperliche und moralische.

Rahima: Ich bin 16 Jahre alt und trage das Kopftuch, seit ich 13 bin und in die Pubertät kam, die den Zeitpunkt bestimmt, ab dem eine Frau es tragen muß. Ganz am Anfang macht man das sozusagen aus Anpassung, weil man sieht, daß auch die Mutter, die großen Schwestern und die Tanten es aufsetzen. Dann wird man älter und versteht, warum man so handeln muß. Ich bin Muslimin und könnte sagen, daß ich das Recht habe, meine Religion so zu praktizieren, wie ich sie verstehe. Es gibt übrigens Polemiken gegen diese Kopftuchpflicht. Ich persönlich trage es, weil man weiß, daß es einen wissenschaftlich bewiesenen Unterschied zwischen Männern und Frauen gibt und daß der Mann von der Frau viel stärker angezogen wird als umgekehrt. Es drängt ihn viel mehr dazu, „Sachen zu machen“, als die Frau. Man sollte ihn deshalb nicht provozieren, und deshalb – wie Gott, und nicht der Mann, von uns verlangt – versuchen wir, unseren Körper zu verbergen. Es stimmt, daß die Frau den Blick senken soll, der Mann aber auch! Im Koran steht, der Mann soll es zuerst tun, danach die Frau.

Taslima: Einverstanden, mit dieser sexuellen Anziehungskraft muß man umgehen können. Aber wieso überläßt man diesen Job allein der Frau? Warum soll sie allein derartige Begehrlichkeiten vermeiden?

Fatima: Weil sie intelligenter ist!

Taslima: Aber dieser Blick ist doch etwas ganz Natürliches! Der Mann soll die Frau doch anschauen und umgekehrt, sexuelle Anziehungskraft funktioniert in beiden Richtungen. Wir Frauen kennen sie doch auch, trotzdem verlangt niemand, daß ein Mann seinen Körper vor dem Blick der Frauen verbirgt.

Rahima: Doch! Der Mann darf keine enganliegenden Sachen tragen.

Taslima: Etwas anderes: Die Frauen haben sich also schön verhüllt, aber noch immer gibt es Ehebruch, Vergewaltigungen und alle Arten physischer und moralischer Gewalt, wie zum Beispiel Enterbung, Verstoßung, Vernachlässigung der Kinder in fast allen muslimischen Ländern, sogar in den islamischen. Die Frau trägt sämtliche Lasten. Noch ein Beispiel: die Jungfräulichkeit. Nach dem Koran ist allein sie dazu gezwungen.

Hakima, Fatima, Rahima: (im Chor) Nein! Der Mann auch! Er geht mit gutem Beispiel voran, und die Muslimin folgt ihm!

Taslima: Mit Sicherheit nicht, weil er nämlich das Recht hat, sexuelle Beziehungen zu Sklavinnen zu haben, die niemals seine Ehefrau werden können.

Hakima: Das stimmt nicht! Er kann sie befreien und heiraten!

Taslima: Tut mir leid, der Text verbietet das.

Fatima: Wie auch immer, wir leben nicht mehr in der Epoche des Propheten und der Sklaverei. Die gibt es heute nicht mehr.

Taslima: Heute nennt man sie Hausangestellte. Also entweder gestatten Sie infolge Ihres Gehorsams gegenüber dem Koran, daß Sie Ihr Mann mit dem Kindermädchen betrügt, oder Sie geben zu, daß der Koran überholt ist. In diesem Fall frage ich mich, warum Sie ihm mit dem Kopftuch so wortgetreu folgen.

Hakima: Das Kopftuch drückt die „Philosophie“ der Keuschheit oder der Treue der beiden Geschlechter aus. Man zeigt auf diese Weise, daß man seine Reize nur einer einzigen Person offenbart. Und wenn man sich scheiden läßt, muß man sich wieder verheiraten, um weitere sexuelle Beziehungen zu haben – um zu vermeiden, uneheliche Kinder zu bekommen und damit die Gesellschaft nicht verdorben wird.

Taslima: Ich sage es noch einmal: In allen islamischen Gesellschaften sind Jungfräulichkeit, Mutterschaft und alles, was mit der weiblichen Sexualität zu tun hat, von Männern vorgeschrieben. Ich glaube, das einzige, was für die Menschlichkeit eines Wesens Bedeutung hat, ist seine innere Qualität – und die hat nichts mit Geschlechtsteilen zu tun. Also mir ist Jungfräulichkeit total egal!

Hakima: Aber ist Anständigkeit nicht die wichtigste Pflicht unter Eheleuten?

Fatima: Jungfräulichkeit ist eine Sache zwischen einem selbst und Gott. Wenn eine Frau keine Jungfrau mehr ist, und der Ehemann akzeptiert das, na schön, prima.

Taslima: Jeder hat das Recht, seine Sexualität zu befriedigen. Unsere Körper gehören uns.

Hakima: Selbst die Natur ist gegen die Frau. Sie als Atheistin sollten akzeptieren, was sie sagt: Sie wollte, daß die Frau mit einem Hymen geschaffen wurde – und nicht der Mann. Das ist doch nicht umsonst so. Warum gibt es kein System, um festzustellen, ob der Mann jungfräulich ist oder nicht?

Taslima: Ich mache der Natur keinerlei Vorwürfe. Männer haben ihre Geschlechtsorgane, wir haben unsere, das sollte kein Grund zum Streiten sein. Wir sind verschieden? Das ist weder gerecht noch ungerecht. Aber das Patriarchat ist es, die gesellschaftliche Organisation, die den Männern ermöglicht, Mittel zu finden, von diesem Unterschied zu profitieren.

Hakima: Deshalb, ich habe es schon mal gesagt, sollte man um jeden Preis uneheliche Kinder vermeiden. Wir sind doch keine Tiere, die „es“ auf der Straße treiben. Dafür braucht es einen bestimmten Rahmen. Uns dreien ist unser Körper heilig, ein unschätzbares Gut, und unsere Haare sind kostbar. Wenn Sie glauben, Ihr Körper habe keinen unschätzbaren Wert, haben Sie das Recht, damit zu machen, was Sie wollen. Aber für uns ist unser Körper wertvoller als die Mona Lisa! Und das ist für uns ein Zeichen der Überlegenheit.

Taslima: Also hören Sie mal! ... Ich bin für Gleichberechtigung von Mann und Frau und sehe einfach nicht, inwiefern Sie die mit Ihren Ausführungen verteidigen. Außerdem gibt es Diskrimination und unzählige Ungerechtigkeiten gegenüber Frauen in allen Gesellschaften – christlichen, hinduistischen, buddhistischen und eben auch islamischen. Die Bibel zum Beispiel enthält zahlreiche diskriminierende Vorschriften, in deren Namen Frauen unterdrückt wurden. Aber deren Befolgung hat sich gemildert, die Vorschriften wichen modernen, die Geschlechter gleichstellenden Gesetzen. Das heißt, daß die christlichen Gesellschaften es geschafft haben, den religiösen Druck zu überwinden. Das ist in islamischen Gesellschaften heute noch immer nicht der Fall.

Hakima: Das Problem mit Ihnen ist, daß Sie eine Religion angreifen, ohne wirkliche Argumente zu haben. Sie beziehen sich ausschließlich auf unterdrückende Traditionen in Bangladesch. Ich mache Ihnen Ihren Atheismus nicht zum Vorwurf; aber ich werfe Ihnen vor, die Werte zu bekämpfen, die uns am meisten bedeuten – und uns auf diese Weise zu beleidigen. Ich glaube, Sie haben einfach eine Gelegenheit ergriffen, den Islam zum Sündenbock zu machen, genau wie Salman Rushdie.

Taslima: Man kann seine eigene Berühmtheit nicht verfügen, und ich handle in keinster Weise für meinen eigenen Heiligenschein. Es waren ja die westlichen Medien, die oft über meine Situation als Verteidigerin der Frauenrechte in Bangladesch geschrieben haben. Ich habe mich gegen eine frauenfeindliche Gesellschaft und Religion aufgelehnt, weil ich das tun mußte. Das haben die Fundamentalisten nicht zugelassen. Zu Zehntausenden sind sie durch die Straßen gezogen und haben meinen Tod verlangt, daher die Fatwa. Ich habe das Recht zu sprechen.

Fatima: Dieses Recht endet dort, wo...

Taslima: Alle, die an Redefreiheit glauben, sind mir glücklicherweise zur Hilfe gekommen – um eine Schriftstellerin zu retten. Wenn man berühmt werden will, wählt man als Mittel sicher nicht die Auflehnung gegen ein System. Außerdem glaube ich, daß ich den Mut hatte, alle Systeme zu kritisieren, überall, wo sie es in meinen Augen verdient haben. Ich war nicht darauf aus, den christlichen Gesellschaften zu gefallen, in denen ich mich heute bewege. Ich bitte Sie, zu verstehen, daß meine Situation wohl kaum beneidenswert, sondern eher gefährlich ist.

Fatima: Ich bin weniger kategorisch als Hakima. Ich würde nicht sagen, daß Sie Ruhm suchen, ich kenne Sie ja nicht. Ich bewundere Ihren Mut und wäre nicht gerne an Ihrer Stelle. Aber ich würde sagen, daß Sie die Medien benutzt haben, um Ihre Vorstellungen zu verbreiten; und daß die Medien, vor allem die französischen, Sie dazu benutzen, den sogenannten islamischen Fundamentalismus, der sich in Frankreich breitmacht, zu bekämpfen. Darüber hinaus – was immer Sie auch sagten – habe ich Sie niemals über etwas anderes als den Islam sprechen hören. Der Islam, immer nur der finstere Islam!

Hakima: Jedermann vertreibt sich die Zeit damit, über den Islam zu phantasieren und ihn zu deuten. Man sollte ihn endlich so praktizieren, wie er verkündet wurde. Weder der Iran noch Saudi-Arabien und Algerien haben das getan. Ich persönlich glaube, auf dem richtigen Weg zu sein. Dank dieses Islam, in seiner Reinheit, mache ich heute meinen Universitätsabschluß – und nicht, weil ich in Frankreich geboren wurde.

Taslima: Der Koran verbietet den Frauen, zu arbeiten, nicht die Französische Republik.

Hakima: Sie wollen doch wohl nicht, daß der Koran uns vorschreibt, um fünf Uhr früh bei Renault schuften zu gehen! Dagegen hält er mich an, bis zu meiner Dissertation zu studieren und danach einen Beruf auszuüben, der mir gefällt und gut bezahlt ist. Im Islam ist Arbeit für die Frau ein Recht und nicht eine Pflicht.

Taslima: Sie sind ein Papagei!

Hakima: Sie auch!

Rahima: Ich habe Ihr Buch nicht gelesen, ich schätze auch Ihre Kritik nicht besonders, aber ich verurteile die Leute, die Sie zum Tode verurteilt haben.

Fatima: Ich bin damit auch nicht einverstanden.

Hakima: Entschuldigung. Wer hat die Fatwa verhängt?

Taslima: Ein religiöses Oberhaupt. Keiner ist islamischer als er!

Hakima: Ich möchte mich nicht zu etwas äußern, das ich nicht kenne...

Fatima: In Mantes hat sich ein junges Mädchen, Sophia, öffentlich für die Todesstrafe ausgesprochen, deren Opfer Sie sind. Aber sie ist ein Kind, und niemand wird eine 13jährige in dieser Sache um Rat fragen.

Taslima: Sie sind blind!

Fatima: Wir sind nicht blind!

Taslima: Der Koran sagt, blind ist, wer blind glaubt. Warum sollte ich also blind sein?

Fatima: Man hat immer den Eindruck, über zwei verschiedene Korane zu sprechen!

Hakima: Wir verstehen ja, daß Frankreich laizistisch ist und nicht die gleiche Geschichte wie die muslimischen Staaten hat. Aber in den Ländern, die Sie laizistisch nennen und in denen es Menschenrechte gibt, verweigert man uns das wichtigste Recht: Bildung. An Rahimas Gymnasium wurden zwölf Mädchen ausgeschlossen, weil sie sich weigerten, ihr Kopftuch abzulegen. Außerdem verweigert man uns die Redefreiheit.

Fatima: Wenn Leute ausgeschlossen werden sollen, die fundamentalistische oder rassistische Äußerungen machen, müßte Le Pen der erste sein!

Hakima: Wenn Sie mal ehrlich sind, müssen Sie all das bekämpfen. Da Sie für die Rechte der Frauen eintreten, müssen Sie logischerweise auch den Laizismus bekämpfen, der uns die Ausbildung verbietet.

Taslima: 90 Prozent der Bevölkerung in Bangladesch sind Muslime. Der größte Teil der Frauen dort würde sich wünschen, kein Kopftuch zu tragen, studieren zu können, wirtschaftlich unabhängig zu sein, dieses religiöse System abzuschaffen und statt dessen ein laizistisches System einzuführen. Sie nun leben in einem laizistischen Land und würden eine religiöse Ordnung einführen wollen, die bei Ihrem Privatleben beginnt?

Hakima: Solange der französische Laizismus uns das Recht, Musliminnen zu sein, abspricht, steht das in Widerspruch zur Verfassung, die es uns zugesteht. Ich möchte deshalb, daß Sie etwas zum Ausschluß der Mädchen aus dem Gymnasium sagen.

Taslima: Keine muslimische Frau, die sich ihrer Persönlichkeit und ihrer Rechte bewußt ist, kann das Kopftuch tragen, weil es das Eingeständnis einer Unterlegenheit ist. Als wir in Bangladesch einen laizistischen Staat hatten, waren die Frauen die ersten, die von der Obrigkeit die Abstimmung über ein Gesetz verlangten, das das Tragen des Schleiers verbietet – und das zum Wohle der Frauen.

Hakima: Es ist sehr schade, daß Sie uns zu unserem Glück zwingen wollen! Daß Sie anderen Ihre Vorstellungen aufzwingen und ein gesetzliches Verbot des Kopftuchs wollen – das ist Fundamentalismus! Für Sie bin ich eine Obskurantistin. Aber Sie legen eine grenzenlose Intoleranz an den Tag.

Taslima: Ich bin vollständig intolerant gegenüber einem System, das Frauen unterdrückt, weil es selbst vollkommen intolerant ist.

Hakima: Sie sind ziemlich oberflächlich. Nur weil eine Frau von ihrem Äußerem her „befreit“ erscheint, muß sie das innerlich noch lange nicht sein.

Rahima: Sie hat nichts zum Schulausschluß gesagt...

Hakima: Sind Sie so frei, daß Sie sich ganz nackt zeigen würden? Warum erscheint es Ihnen normal, Kleider zu tragen? Warum wollen Sie Ihren Körper nicht zeigen und tragen ein Kleid? Aus Scham. Sehen Sie, und wir wollen eben aus Scham das Kopftuch nicht ablegen.

Rahima: Taslima hat nichts zum Schulausschluß gesagt...

Taslima: Das ist eine Entscheidung des französischen Staates.

Fatima: So wird man zum Fundamentalisten gemacht! Indem man die Mädchen ihrer Ausbildung beraubt, nimmt man ihnen auch die Möglichkeit, sich klarzumachen, daß der Islam, verglichen mit der laizistischen Schule, letztlich lächerlich ist.

Taslima: Ich wiederhole noch einmal, daß es sich um eine Entscheidung des französischen Staates handelt und daß keine Frau, Privatperson und Bürgerin, den islamischen Schleier tragen sollte. Moderation: Elisabeth Schemla

(c) „Le nouvel Observateur“

Aus dem Französischen von Barbara Häusler