: Begräbnis dritter Klasse
Die europäische Energiesteuer ist tot, aber die Bundesumweltministerin verweigert die Bestattung: Dann müßte sie zu Hause handeln ■ Aus Brüssel Alois Berger
Der Kranz wurde beim EU- Gipfel in Essen geflochten, die neue Umweltministerin Angela Merkel (CDU) ziert sich aber noch, ihn niederzulegen. In einer bewußt wolkig gehaltenen Formulierung hatten die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union in Essen die Beerdigung der einheitlichen CO2-Energiesteuer vorbereitet, die von den zwölf Umweltministern der Europäischen Union vier Jahre lang zu Tode diskutiert worden war: Jede Regierung solle selbst entscheiden, ob sie eine solche Steuer einführen wolle.
Bundesumweltministerin Merkel gab sich nach dem Treffen der zwölf Umweltminister in Brüssel dennoch „hoffnungsvoll“, wie sie sagte, daß es noch zu einer europaweit einheitlichen Lösung kommen werde. Einen Alleingang, der rechtlich möglich wäre und von der europäischen Kommission inzwischen empfohlen wird, kann sich Merkel derzeit nicht vorstellen. Ausdrücklich wies sie den Verdacht zurück, daß hinter dem Beharren auf einer europäischen Lösung der Wunsch stünde, den Forderungen nach einer deutschen CO2-Energiesteuer vorzubeugen.
Der Druck auf einen Alleingang dürfte in der nächsten Zeit trotzdem zunehmen. In Dänemark und Holland gibt es bereits Ansätze für eine eigene Energiesteuer, Belgien denkt darüber nach. Fachleute haben inzwischen mehrfach vorgerechnet, daß eine echte Ökosteuer Wettbewerbsvorteile bringen würde. Voraussetzung sei allerdings, daß die Verteuerung der Energie mit einer Senkung der Lohnnebenkosten gekoppelt würde. Die in Brüssel seit Jahren diskutierte Version ist dagegen eine eher plumpe Form der reinen Steuererhöhung, die tatsächlich Konkurrenznachteile mit sich bringen kann.
Um ein Mindestmaß an Gemeinsamkeit zu retten, beschlossen die zwölf Umweltminister einen Studienauftrag an die Kommission. Die soll nun vier sogenannte Parameter entwerfen, also Empfehlungen, wie die nationalen Energiesteuern aussehen sollen, wenn sie denn jemand einführen will. Außerdem einigten sich die Umweltminister, bei der Rio- Nachfolfgekonferenz in Berlin mit einer einheitlichen Position anzutreten. In Rio hatten die EU-Länder versprochen, den CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2000 auf dem Stand von 1990 zu stabilisieren. In Berlin wollen sie nun zusagen, den Ausstoß auch nach 2000 nicht zu erhöhen und irgendwann zu reduzieren. Nach Schätzungen der Europäischen Kommission jedoch wird der Ausstoß von Treibhausgasen ohne steuerliche Regelungen bis 2000 um 15 Prozent ansteigen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen