„Nähe zum Fundamentalismus“

■ „Islam-Archiv Deutschland“ gründet Ableger in Hemelingen

Die islamisch-fundamentalistische Szene in Deutschland baut ein flächendeckendes Organisationssystem auf. Jüngstes Beispiel ist nach Ansicht von Islamexperten die Eröffnung einer Zweigstelle des „Islam-Archivs-Deutschland“ aus dem westfälischen Soest in den Räumen der Quba-Moschee in Bremen-Hemelingen. Der Aufbau der Außenstelle, der in der letzten Woche beschlossen wurde, wird auch in der Bremer Senatsverwaltung für Ausländerintegration genau beobachtet: „Wir geben dazu keine Bewertung ab“, heißt es von Matthias Güldner von der Behörde. „Wir wollen erstmal mit den Leuten reden“.

Dem „Islam-Archiv Deutschland“ mit seinem Leiter Salim Abdulah wird von deutschen Experten wie Professor Udo Steinbach, dem Leiter des Deutschen Orient-Instituts in Hamburg, vorgeworfen, in den letzten Jahren eine „offensichtliche Nähe zum Fundamentalismus“ entwickelt zu haben und auf die politisch-religiöse Linie der „AMGT“ eingeschwenkt zu sein. Die AMGT, die „Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e.V.“ wurde 1985 in Köln gegründet und spielt eine Schlüsselrolle bei der Auseinandersetzung zwischen islamischem Fundamentalismus und weltlichem Staat in der Türkei in Deutschland. Die AMGT strebt nach Ansicht von Experten die Abschaffung der weltlichen Staatsordnung der Türkei und deren Ersetzung durch ein islamisches System an. Sie wird vom Bremer Verfassungsschutz als „islamisch-extremistisch“ eingestuft. „Die AMGT-Leute versuchen, mit freundlichem Gesicht nach außen die türkisch-islamische Szene in den Griff zu kriegen“, meint Steinbach.

Mit der Gründung der Außenstelle des Instituts haben die Fundamentalisten in Bremen ihre Position ausgebaut. Denn mit der Leitung der Außenstelle in Bremen wurde neben Mehmet Kilinc, „Hodscha“ (Lehrer, Geistlicher) an der Quba-Moschee in Hemelingen, auch Ali Kizilkaya, Hodscha an der Fatih-Moschee in Gröpelingen, beauftragt. Beide Moscheen gelten als AMGT-nah, hatten in der Vergangenheit untereinander aber immer wieder Differenzen. Bei der Gründung der Zweigstelle scheinen sie sich nun auf ein gemeinsames Vorgehen geeinigt zu haben.

Salim Abdulah, der Leiter des Archivs in Soest, weist alle Vorwürfe, er sei jetzt den Fundamentalisten bedenklich nahe gekommen, weit von sich: „Ich bin früher als Vater des Dialogs gefeiert worden. Und nur, weil ich jetzt auch mit der AMGT spreche, soll das nicht mehr gelten. Wenn man sich in Deutschland einer Farbe nähert, dann hat man sie gleich.“

Derselbe Salim Abdulah war bis Ende der 80er Jahre ein erbitterter Gegner der AMGT. Reinhard Schulze, Orientalistik-Professor an der Uni Bamberg schätzt ihn aus jener Zeit auch als „Vertreter einer eher säkularisierten, aufgeklärten islamischen Tradition“ ein. Abdulah sei damals stark von Fundamentalisten bedrängt worden ist. Unklar bleibt, was Abdulah letztlich veranlaßte, in den letzten Jahren seine öffentlichen Angriffe auf die AMGT einzustellen und mit ihr in intensiven Kontakt zu treten. Zum türkischem Fundamentalismus will sich Abdulah allerdings nicht äußern.

Die wahren Beweggründe der AMGT sind nach Meinung der WDR-Journalistin Hildegard Becker, einer Kennerin der Szene, schwer zu erkennen. Denn Reden und Veröffentlichungen auf deutsch hätten oft andere Inhalte als die auf türkisch. Dazu Becker: „Das erweckt bei manchem Türken, der sich die Mühe macht, einen Vergleich zu ziehen, den Eindruck, der Wolf habe Kreide gefressen und seine Pfoten mit Mehl bestäubt.“

So vertreten nach Beckers Aussagen die AMGT und ihre AnhängerInnen etwa nach außen die „Integration der Muslime in Deutschland“ als oberstes Ziel. Doch innerhalb der Gemeinden werde die weltliche Staatsordnung der Türkei attackiert. „Es wird zwar nach außen so getan, als wolle man den Muslimen ein Zurechtkommen in der säkulären Gesellschaft hier erleichtern, aber eigentlich zielt diese Strategie daraufhin, sich in ein Ghetto zu begeben“, bestätigt auch Udo Steinbach. Für ihn ist Konfrontation und Abgrenzung gegenüber den Islamisten kein Weg: „Wir müssen versuchen, durch Dialog miteinander umzugehen.“

dam