: Neue Baugruben am Potsdamer Platz
■ Nach dem Scheitern der S 21: ABB will im Frühjahr 1995 mit den Bauarbeiten beginnen / Letzte Wagenburg muß weichen
Dem Bauvorhaben von Asea Brown Boveri (ABB) am Potsdamer Platz steht nach der Entscheidung des Senats, die Linie S 21 zu kippen, (fast) nichts mehr im Wege. Für den Fortgang des Projekts sei es notwendig gewesen, sagte Gosbert Dreyer, Geschäftsführer der Roland Ernst Städtebau und Projektentwicklungs GmbH, die mit Terreno zu den Investoren zählt, daß der Senat die offene Frage des S-Bahn-Baus „von der Halde geholt“ und geklärt habe. Nach der endgültigen Festlegung des Bebauungsplanes müsse das Projekt noch von den Bezirken Tiergarten und Mitte abgesegnet werden. Man hoffe, den positiven Beschluß bis zum Frühjahr 1995 in der Tasche zu haben, die bauvorbereitenden Maßnahmen könnten dann ab März beginnen, so Dreyer gegenüber der taz.
Der Start des ABB-Projekts für Büros, Wohnungen und ein paar wenige Läden auf dem schmalen Grundstück entlang der Köthener Straße war in der Vergangenheit an dem politischen Willen des Senats gescheitert, die S-21-Trasse unter dem Potsdamer Platz festzuklopfen. Die Konzeptionslosigkeit in der Verkehrsplanung bedeutete für ABB quasi den Planungsstopp. Denn sowohl bei einer unterirdischen Streckenführung als auch einer möglichen Vorhaltefläche für den späteren Bau der Linie wäre eine jeweils andere Statik des langen Gebäuderiegels, der in seiner Form an ein Fischskelett erinnert, notwendig gewesen. Die Kosten von 30 Millionen Mark für die neue S 21 führten in der vorigen Woche zu der Entscheidung, auf deren Bau ganz zu verzichten. Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus sowie die Verkehrsverwaltung hatten anschließend das S-21-Aus als „katastrophale Fehlentscheidung“ kommentiert, weil damit der künftige Zentralbahnhof (der Lehrter Bahnhof) nur unzureichend für den öffentlichen Nahverkehr erschlossen würde.
ABB kann nun nach den Plänen des italienischen Architekten Giorgio Grassi das 16.000 Quadratmeter große Areal bebauen. Auf dem Gelände des früheren Potsdamer Personenbahnhofs und des einstigen Vergnügungspalastes „Haus Vaterland“ soll ein zwölfgeschossiger Kopfbau am Potsdamer Platz entstehen. Die daran anschließenden drei Kleinblöcke mit acht Stockwerken sollen Büros aufnehmen. Der vierte und letzte Block am Landwehrkanal wird Wohnungen beherbergen. Grassi entwarf das Ensemble in einer streng rationalen, fast monotonen Architekturhandschrift. Die unterschiedlichen Gebäude werden von den Architekten Jürgen Sawade (Berlin), Schweger und Partner (Hamburg) sowie Diener & Diener (Bern) realisiert.
Mit dem Ende der S 21 naht auch das Ende der letzten Wagenburg am Potsdamer Platz. Die Kündigung für das Gelände sei schon vor einiger Zeit in die Burg geflattert, sagte Rollheimer Gerold. Die Wagentruppe habe das Schreiben aber ignoriert. Es sei nun an der Zeit, daß sich der Senat über einen anderen „akzeptablen“ Standort Gedanken mache. Ein Angebot wie etwa der Stauraum Dreilinden komme nicht in Frage. Rolf Lautenschläger
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